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„Holocaust bei Aida fehl am Platz“

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Szene mit dem Nazi-Schergen in SS-Uniform und Hakenkreuz-Binde, der Frauen mit einem gelben Judenstern an der Brust durch die Arena auf dem Burgplatz treibt, sorgt für Kritik.

Das Staatstheater Braunschweig befindet sich in der Spielzeitpause, und doch sorgt es für Gesprächsstoff. Die Inszenierung der Aida von Regisseurin Adriana Altaras beim Burgplatz Open Air sorgt noch für Widerhall. Kritisiert werden vor allem die Szene, in der ein Nazi-Scherge in SS-Uniform mit Hakenkreuz-Binde Frauen mit gelbem Judenstern an der Brust durch die Arena drängt, und die Szene mit Kindersoldaten, die erst mit Waffen ins Publikum zielen und dann minutenlang Leichen spielen müssen. Daran wird Anstoß genommen.

„Der Holocaust ist ein singuläres und damit unvergleichbares Menschheitsverbrechen und sollte deshalb auch nicht ansatzweise in die künstlerische Darstellung und Aufzählung sonstiger Verbrechen gegen die Menschenrechte eingereiht und damit vergleichbar gemacht werden – damit relativiert man ihn nämlich. Diese rote Linie sollte auch die Kunst beachten, bei aller Freiheit, die wir ihr zubilligen“, meint Richard Borek sen. Er bedauert, dass dieser Aspekt in der öffentlichen Debatte um die Aufführung zu kurz gekommen sei. Er hofft, dass wenigstens theaterintern darüber intensiv und kritisch diskutiert wird, damit diese Dimension bei nächsten Inszenierungen berücksichtigt wird.

Disput im deutschen Theater

Giuseppe Verdis Oper wurde 1871 in Kairo uraufgeführt. Sie handelt von einer Liebesgeschichte und Eifersucht während einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Ägypten und Äthiopien zur Zeit der Pharaonen, also Jahrtausende vor Christus. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine war die Inszenierung zu einer aktuellen Herausforderung geworden. „Ich mache kein Pyramiden-Theater. Aida wird meistens traditionell inszeniert, so wie zuletzt auch von Katharina Thalbach an der Semperoper. Das kam für mich nicht in Frage“, erklärte Regisseurin Adriana Altaras im Interview mit dem „Vier Viertel Kult“, dem Quartalsmagazin der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz.

Zum Disput zwischen diesem im deutschen Theater um sich greifenden Ansatz und den klassischen Aufführungen hatte sich kürzlich auch Entertainer Harald Schmidt geäußert. „Wenn ich ins Theater gehe, möchte ich möglichst virtuose Schauspieler und ein Stück sehen. Mich interessieren keine Projekte und auch nicht die politische Befindlichkeit eines Ensembles“, sagte er gegenüber der Berliner Zeitung. Die Bühnen könnten sich damit kein neues Publikum erschließen, sondern das alte bliebe bloß weg, meint Schmidt, der selbst an mehreren Theatern Gastspiele gab.

Beleidigung für die Augen

Auf die von Erika und Richard Borek nach der Premiere öffentlich geäußerte Kritik erhielten beide für ihre Stellungnahme Anerkennung. „Ihren Ausführungen kann ich mich nur anschließen. Auch ich habe mich hauptsächlich über meine Ohren auf die beeindruckende Musik und die wunderschönen Stimmen konzentriert“, schrieb Jürgen Schmerbach. Drillich-Kleidung, Hakenkreuze, Feldmarschall-Uniformen und Kindersoldaten, die kämpfen und sterben beleidigten das Auge, kritisiert er.

„Man hat das Werk verhunzt“, wird Horst-Henning Albrecht deutlich. Musik, Dirigat, sängerische Leistung und Darstellungskunst lobt er sehr, aber die Deutung des Werks sei „total daneben“. Die von Verdi vorgegebene Handlung sollte nicht verändert und schon gar nicht falsch gezeigt werden, schreibt er. „Im Original bleibt Amneris leben, hier steigt sie in ein Grab und ersticht sich. Was soll das?“, fragt er sich.

Prinzessin in Generalsuniform?

Es gebe viele kritikwürdige Stellen, führt Horst-Henning Albrecht aus, so zum Beispiel das Bühnenbild mit einer alten, kaputten Waschmaschine oder auch die Kostüme. Amneris sei eine Königstochter, eine Prinzessin, warum also trete sie im ersten Akt in Generalsuniform auf? „Einfach schrecklich“, fand er den Auftritt der Kinder mit Holzgewehren, die, während gesungen wird, über längere Zeit Tote spielen mussten. Und gar nicht gingen eben Judenstern und Hakenkreuz. „Das ist dem Werk und der Handlung nicht dienlich“, stellt er final fest.

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