Kunst aus dem Koffer

Der mobile Kunstkoffer kommt, kostenlos für alle Kinder und Jugendlichen. Foto: Sophia Hamann.
Der mobile Kunstkoffer kommt, kostenlos für alle Kinder und Jugendlichen. Foto: Sophia Hamann.

Jeden Freitag­nach­mittag biegt er rumpelnd um die Ecke am Kinder­spiel­platz Arndt­straße in der Weststadt: ein Handwagen beladen mit bunten Koffern. Sie sind gefüllt mit allen möglichen Materia­lien, mit denen sich basteln, malen, zeichnen und werkeln lässt. Der Kunst­verein Jahnstraße bietet mit den Kunst­Kof­fern Kindern die Möglich­keit, sich künst­le­risch auszu­pro­bieren.

Kaum sind die Koffer geöffnet, kommen die ersten Kinder. Die Auswahl ist groß: es gibt Papier und Pappe, Stifte und Pinsel, Gouache-Farben, Wolle und Stoff­reste und Leder, dazu Holzreste und Ton und auch ein Werkzeug­koffer gehören zur Ausrüs­tung dazu. Sogar Wasser, Handtü­cher und Maler­kittel finden auf dem Wagen Platz. Ein Kunst­päd­agoge oder eine Kunst­päd­agogin unter­stützt die Kinder und hilft bei gestal­te­ri­schen und techni­schen Problemen. Doch es gibt keine Aufgaben, keine Anfor­de­rungen und keinen Druck. Jedes Kind kann seine eigenen Ideen entwi­ckeln und umsetzen. „Die Kunst­Koffer sind ein außer­schu­li­sches Bildungs­pro­jekt. Die Kinder können Grund­er­fah­rungen machen und Schlüs­sel­kom­pe­tenzen anhand einfacher Materia­lien in einem offenen Rahmen­an­gebot machen. Sie bilden dabei einen Gegenpol zur techni­sierten Umwelt“, erklärt Sophia Hamann vom Kunst­verein Jahnstraße das Konzept.

Eine inter­na­tio­nale Idee

Das Konzept für die Kunst aus dem Koffer entwi­ckelte der Künstler Titus Grab für Wiesbaden. Seit dem Jahr 2004 erobert die Idee nicht nur Städte in Deutsch­land, auch in der Schweiz und den Nieder­landen gibt es Angebote. Sie alle wollen Kindern ein nieder­schwel­liges und aufsu­chendes Angebot, so dass auch Kinder aus bildungs­fernen Schichten keine Zugangs­schwie­rig­keiten oder Berüh­rungs­ängste aufbauen – auf Spiel­plätzen, Schul­höfen, Gehwegen und in Grünan­lagen. Sophia Hamann beschreibt: „Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, kreatives Denken und Handeln gerade sozial benach­tei­ligten Kindern und Jugend­li­chen zugäng­lich zu machen und damit einen bewussten Beitrag zur Entwick­lung unserer Gesell­schaft zu leisten.“ Jedes Kind soll frei und ungeachtet seines finan­zi­ellen Hinter­grundes Zugang zu dem Angebot haben. Alle Kinder können bei den Kunst­Kof­fern ihr Spiel­be­dürfnis, ihre Neugier und ihre Entde­ckungs­freude frei umsetzen.

Kunst im „Problem­be­zirk“

Organi­siert wird die Aktion in Braun­schweig seit Frühjahr 2010 vom Kunst­verein Jahnstraße, eine gemein­nüt­zige Ausstel­lungs- und Veran­stal­tungs­platt­form und gefördert von der Braun­schwei­gi­schen Stiftung. Bewusst greift der Verein die Proble­matik des Stand­ortes auf – die Weststadt als weniger reprä­sen­ta­tiver Teil der Stadt mit der Jahnstraße als klischee­haftem Zentrum. Neu ist in diesem Jahr, dass es neben der Halte­stelle am Spiel­platz Arndt­straße zwischen dem Wohnge­biet Hebbel­straße und der Jahnstraße noch einen zweiten Halt am Frank­furter Platz gibt. Das Gebiet gilt als sozialer Brenn­punkte in Braun­schweig. Überdurch­schnitt­lich viele Familien sind hier auf die Hilfe vom Staat angewiesen und der Anteil der Bewohner mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund ist groß. Die Kunst­Koffer wenden sich explizit an Kinder aus sozial schwie­rigen Verhält­nissen. Sie sind ein nieder­schwel­liges Angebot und bringen die Kunst zu den Kindern, die sonst kaum mit ihr in Berührung kommen würden. Geogra­fisch ist der Kunst­verein nicht auf das Westliche Ringge­biet oder gar die Jahnstraße beschränkt- auch wenn die Kunst­Koffer natürlich vor allem Kinder aus der unmit­tel­baren Umgebung des Spiel­platzes Arndt­straße anspre­chen.

In der Winter­pause in die Kunst­werk­statt

Die Kunst­Koffer machen ab Oktober eine wetter­be­dingte Winter­pause. Doch um auch in der „koffer­losen Zeit“ Aktionen für Kinder anbieten zu können, hat der Kunst­verein eine Werkstatt in seinen Räumen in der Jahnstraße 8a einge­richtet. „Hier wird es dann wie bei den Kunst­Kof­fern Angebote für Kinder geben, aber auch genera­tio­nen­über­grei­fende Workshops“, beschreibt Sophia Hamann die Planungen. Die genauen Termine stehen noch nicht fest – aber natürlich sind sie auch wieder offen für alle und kostenlos.

Infor­ma­tionen

„Die Kunst­Koffer kommen“ ab Mai:
Jeden Montag von 16 bis 18 Uhr am Frank­furter Platz
Jeden Freitag von 16 bis 18 Uhr auf dem Spiel­platz Arndt­straße
Teilnahme kostenlos
Für Kinder im Alter von 4 bis 14 Jahren

Mehr zum Projekt auch unter www.kunst-koffer.de

Foto

Das könnte Sie auch interessieren

  • Entdecke den Künstler in Dir!

    Entdecke den Künstler in Dir!

    Wenn die Kunst­Koffer kommen, kennt die Kreati­vität keinen Druck. Als mein Sohn im Kunst­un­ter­richt einen Schmet­ter­ling tuschen sollte, schei­terte er furios. Warum auch immer. Der Falter sah aus wie ein Müllsack, selbst die farbigen Flügel konnten nicht bestechen, sie sahen aus wie die reine öde Farbfläche. Bestimmt hätte er die Konturen besser hinge­kriegt, und wenn… Weiterlesen

  • Gegenpol zur digita­li­sierten Umwelt

    Gegenpol zur digita­li­sierten Umwelt

    Bildungsprojekt „Die Kunst-Koffer kommen“ soll die persönliche Entfaltung von Kindern und Jugendlichen fördern, aber auch zur Entwicklung von Respekt und Toleranz beitragen. Weiterlesen

  • Eine geballte Ladung Kunst

    Eine geballte Ladung Kunst

    23 Kunst­ak­teure aus der Region betei­ligen sich auf Initia­tive der Braun­schwei­gi­schen Landschaft am 10. und 11. November am „Wochen­ende der Graphik“. Wenn das kein Angebot ist: Irgendwo zuhause schlum­mert doch noch diese Zeichnung auf etwas angegilbten Papier. Sie ist aus dem Nachlass von Oma.  Niemand in Familie und Bekann­ten­kreis weiß auch nur annährend damit etwas… Weiterlesen