Kunst-Ideen erobern den Raum

Christof Mascher erläutert eines seiner Werke. Foto: Marius Maasewerd
Christof Mascher erläutert eines seiner Werke. Foto: Marius Maasewerd

Die Künstler und die Künst­lerin des dritten Durch­gangs der Stipen­dien „Idee“ und „Abdruck“ der Braun­schwei­gi­schen Stiftung zeigen ihre Arbeiten in einer Abschluss­aus­stel­lung in der Jakob-Kemenate.

Zum dritten Mal hatte die Braun­schwei­gi­sche Stiftung vor einem Jahr ihre Kunst­sti­pen­dien „Idee“ und „Abdruck“ vergeben. Ein Jahr lang konnten vier Künstler arbeiten, experi­men­tieren, auspro­bieren, forschen. Die Ergeb­nisse sind nun in einer Ausstel­lung in der Jakob-Kemenate zu sehen. Die Kunst­his­to­ri­kerin Anne Mueller von der Haegen kuratierte sie an einem beson­deren Ort mit einzig­ar­tiger Archi­tektur.

Ganz im Sinne der Stiftung, kein Werksti­pen­dium zu vergeben, sondern Ideen zu unter­stützen, arbeiten der Komponist Clemens von Reusner und der Maler Hans Wesker. Ihr inter­dis­zi­pli­näres Projekt „Klang-Haus“ will das „Haus der Kulturen“ im ehema­ligen Nordbahnhof – im wahrsten Sinne des Wortes – zum Klingen bringen. Als Ort gesell­schaft­li­cher und kultu­reller Teilhabe ist er Begeg­nungs­stätte für Menschen unter­schied­lichster Herkunft, die das Haus mit unzäh­ligen Sprachen füllen. Tonauf­nahmen aus dem Haus sind das akusti­sche Material, das von Reusner elektro­nisch bearbeitet und neu gestaltet. „Die Gemein­sam­keit der Sprachen liegt im Klang“, sagen die Künstler. Diesen Klang wollen sie hörbar machen. Rund um das Haus montierte Aluver­bund-Tafeln, auf deren Rückseiten Energie­wandler angebracht sind, sollen zu Lautspre­chern werden – und das Haus zum Klang­körper, das in verschie­denen Sprachen summt. Diese Idee erforschten sie, testeten mit Tontech­ni­kern, Elektri­kern, Statikern – bereit, ihr Vorhaben umzusetzen.

Wie ein Geschwür, ein Parasit wuchert eine große Traube schwarzer Luftbal­lons durch die Jakob-Kemenate, drängelt sich durch die Treppen­stufen, füllt Ecken, erobert Zwischen­räume. Ganz Forscherin ist auch Judith Dilchert mit ihren Arbeiten. Die Künst­lerin testete verschie­dene Materialen und Formen – Gips, Glasfaser, Latex, Alufolie, Karamell. Wie lassen sie sich bearbeiten, wie reagieren sie auf hohe oder tiefe Tempe­ra­turen, wie fühlen sie sich an, wie verändern sie sich im Laufe der Zeit? Manchmal auch: Wie schmecken sie? Ihr Thema sind die Außen- und Innen­räume, die Beziehung zwischen dem inneren Raum und der Umgebung und der Hülle, die diesen Schutz­raum umgibt. Ein Kokon als Zwischen­raum zwischen außen und innen in einer Zwischen­welt. Deshalb sind die meisten ihrer Arbeiten Hohlkörper mit einem Innenraum. So sind die Gipsob­jekte, mit denen sie verschie­dene Formen auspro­bierte – ausnahms­weise Vollformen – für sie eher wie ein Skizzen­buch. Sie begab sich auf die Suche nach Rundungen, Linien, Oberflä­chen. Mit den Ballons, die sich nun in der Kemenate scheinbar ausbreiten, lief Dilchert durch Braun­schweig, testete, wie sich das Objekt im öffent­li­chen Raum, an unter­schied­li­chen Orten verhielt.

Im Gegensatz zu den Vorha­ben­sti­pen­dien „Idee“ ist „Abdruck“ ein Werksti­pen­dium in Koope­ra­tion mit der Städti­schen Galerie Wolfsburg. Christof Mascher bekam so die Möglich­keit, in der profes­sio­nell einge­rich­teten Druck­werk­statt im Schloss Wolfsburg zu arbeiten. Für den Maler boten die Druck­me­dien wie die Litho­gra­phie ganz neue Erfah­rungen und Möglich­keiten – und auch manchmal Tiefschläge: Der Druck­stein wurde zu kalt, manche Drucke gelangen nicht. Doch auch daraus entwi­ckelte er kreative neue Formen, ein Mix an Zitaten und an Techniken. Märchen­hafte Traum­welten – gesprüht, geklebt, geschnitten, gedruckt – entstanden aus konkreten Vorstel­lungen und dem Zufall. Und vielleicht der Begegnung mit einem Schloss­geist? Das Angebot, im Schloss Wolfsburg nicht nur zu arbeiten, sondern auch zu wohnen, inspi­rierte ihn zu ganz beson­deren Arbeiten: Castle cat’s cask, die Schloss­katze, die T‑Shirts und eine Whiskey-Edition ziert.

Mit ihren beiden Stipen­di­en­pro­grammen „Idee“ und „Abdruck“ fördert die Braun­schwei­gi­sche Stiftung profes­sio­nell arbei­tende Künst­le­rinnen und Künstler aus der Region oder deren Vorhaben einen konkreten Bezug zur Region Braun­schweig haben. Sie bekommen die Möglich­keit, sich auf besondere Weise mit relevanten und zukunfts­wei­senden Themen oder Ideen innerhalb ihres Werkes ausein­an­der­zu­setzen und Neues zu erproben. Der nächste Durchgang wird im Herbst 2018 ausge­schrieben.

 

Öffnungs­zeiten der Ausstel­lung in der Jakob Kemenate, Eiermarkt 1b

Freitag, 17.08., 11 Uhr bis 22 Uhr

Samstag, 18.08., 11 Uhr bis 22 Uhr

Sonntag, 19.08., 12 Uhr bis 17 Uhr

 

Rahmen­pro­gramm „kunst und aktion“:

Freitag, 17.08., 18.30 Uhr: Artist Talk mit den Stipen­diaten. Modera­tion: Marcus Körber, stell­ver­tre­tender Direktor und Kurator der Städti­schen Galerie Wolfsburg. Der renom­mierte Kunst­wis­sen­schaftler beleuchtet dabei gemeinsam mit Judith Dilchert, dem Künst­lerduo Hans Wesker & Clemens von Reusner und dem Künstler Christof Mascher die Kontraste und die Schnitt­stellen ihrer Arbeiten.
Im Anschluss Musik vom Braun­schweiger Akustik-Pop-Trio D3lta.

Samstag, 18.08.: Kultvier­tel­nacht im Quartier Programm in der Jakob Kemenate:
Muss man sich Braun­schweig schön trinken? Gibt es sie noch, die typisch deutsche Eckkneipe? Den verrauchten Schuppen am Ende der Straße, wo über Gott und die Welt debat­tiert wird? Wo aus Fremden Freunde werden?
Samstag, 18.08., 18.30 Uhr: Lesung mit Christoph H. Winter, Merle Janssen und Gerald Fricke aus dem Buch „Braun­schweig schön trinken“ (Reiffer)
Im Anschluss Cocktail Perfor­mance mit dem Duo AlHaTi zu Musik von DJ Fritz Hermann (Funk, Jazz, Hip Hop) und Getränke

 

Alle Veran­stal­tungen sowie der Besuch der Ausstel­lung sind kostenlos.

Mehr Infos auf: www.facebook.de/diebraunschweigische und www.die-braunschweigische.de.

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