Lemme-Hammer­flügel überstand 225 bewegte Jahre

Peter Karsten an seinem Lemme-Hammerfügel. Foto: Peter Karsten
Peter Karsten an seinem Lemme-Hammerfügel. Foto: Peter Karsten

Braun­schweiger Sammler Peter Karsten erwarb das histo­ri­sche Instru­ment in den USA und plant damit sein „Herzblut-Projekt“.

Peter Karsten, Braun­schweiger Sammler histo­ri­scher Musik­in­stru­mente, ist es nach jahre­langen Recher­chen geglückt, einen von nur noch zwei existie­renden Hammer­flü­geln des Braun­schweiger Herstel­lers Friedrich Carl Wilhelm Lemme (1746 – 1815) aus dem Jahr 1796 wieder in seine Heimat zurück­zu­holen. „Es ist die berühmte Nadel im Heuhaufen, die ich gefunden habe“, freut er sich. Karsten spricht von einer kleinen Sensation, wie das kostbare Instru­ment aus den USA wieder nach Braun­schweig kam. Der Hammer­flügel steht jetzt im Zentrum von Peter Karstens „Herzblut-Projekts“, das im Frühjahr/Sommer des kommenden Jahres abgeschlossen sein soll.

Schwan­berger fast vergessen

Denn aktuell wird mit dem Lemme-Hammer­fügel eine CD mit Werken des einst populären, heute aber fast verges­senen Braun­schweiger Hofka­pell­meis­ters Johann Gottfried Schwan­berger (1737 – 1804) einge­spielt. Dazu wird ein umfas­sendes Begleit­heft mit Peter Karstens Recher­chen und Angaben zu den Klavier­so­naten produ­ziert. Geplant ist darüber hinaus, im kommenden Jahr die Schwan­berger-Klavier­so­naten im Rahmen eines öffent­li­chen Konzertes aufzu­führen.  Ein Ort dafür ist noch nicht festge­legt.

Es ist nicht unwahr­schein­lich, dass Schwan­berger selbst auf dem Lemme-Hammer­flügel gespielt und kompo­niert hat. Denn im Zuge seiner Recher­chen entdeckte Peter Karsten ein erhel­lendes Schrift­stück des vorhe­rigen Besitzers R.G. Fergusson, der von 1967 bis 1970 Komman­dant der US-Armee in Berlin war. Darin heißt es, dass das Instru­ment ursprüng­lich aus einem Braun­schweiger Schloss stamme. Fergusson habe den Hammer­flügel 1969 antiqua­risch erworben und ein Jahr später mit in die USA genommen. Zuvor war der Flügel von dem Berliner Restau­rator Horst Rase restau­riert und für kleine Hauskon­zerte bei den Fergussons genutzt worden.

Nur vier Lemme-Instru­mente erhalten

Von Carl Lemme sind insgesamt nur vier erhaltene Instru­mente bekannt: Im Deutschen Museum in München steht ein gebun­denes Clavichord mit der Signatur „C. W. Lemme No.19 Fecit Braun­schweig 1766“, im Grassi-Museum in Leipzig ein bundfreies Clavichord in der von Lemme erfun­denen ovalrunden Form, mit der Inschrift auf dem Resonanz­boden „Carl Lemme Organist in Braun­schweig Anno und im Metro­po­litan Museum of Art in New York ein Hammer­flügel von 1797. „Unser Braun­schweiger Flügel befindet sich aber als einziger in einem spiel­be­reiten Zustand“, weiß Peter Karsten.

 

Blick auf den Hammerflügel von 1796. Foto: Peter Karsten
Blick auf den Hammer­flügel von 1796. Foto: Peter Karsten

„Der Korpus unseres Hammer­flü­gels besteht aus Esche, sein Resonanz­boden aus böhmi­scher Fichte. Alle Seiten sind sogenannte Sicht­seiten, so dass der Flügel frei im Raum aufge­stellt werden kann. Er ist sehr filigran gebaut und mit nur 75 Kilogramm Gewicht überra­schend leicht“, beschreibt Sammler Peter Karsten seinen Glücks­fund. Recher­chen ergaben, dass das Instru­ment einst 32 Fried­richs­d’or (der Fried­richs­d’or war eine Goldmünze aus 21-karätigem Gold mit etwas über 6 Gramm Gewicht) gekostet hatte. Was er selbst für den Erwerb des Hammer­flü­gels bezahlte und die näheren Umstände der Rückkehr nach Braun­schweig will Peter Karsten für sich behalten.

Im Zuge seiner Recher­chen zu dem Instru­ment stieß er auf den Braun­schweiger Kompo­nisten Johann Gottfried Schwan­berger, der seiner­zeit in einem Atemzug mit zum Beispiel Joseph Hayden und Wolfgang Amadeus  Mozart genannt wurde. Schwan­berger wurde von Lemme als Referenz für seine Erfindung des „gepreßten“ Resonanz­bo­dens genannt.

Hofka­pell­meister am Opernhaus

Herzog Carl I. von Braun­schweig-Lüneburg hatte dem jungen Schwa­ne­berger einen Ausbil­dungs­auf­ent­halt über sechs Jahre in Italien finan­ziert. Nach seiner Rückkehr wurde der erst 24-Jährige zum Hofka­pell­meister am Opernhaus am Hagen­markt ernannt. Schwan­ber­gers Dienst­woh­nung befand sich in der Burg Dankwar­derode. Zu seinen Aufgaben zählte die Kompo­si­tion von Opern. Insgesamt entstanden wohl 13 Opern sowie weitere Singspiele, weltliche Kantaten und Kirchen­musik, mehr als 20 Sinfonien, Cembalo- und Klavier­so­naten.

Im „Lexikon der Tonkünstler“ von Ernst Ludwig Gerber aus dem Jahre 1790 wird, so hat Peter Karsten heraus­ge­funden, über Schwan­berger berichtet: „Eben so groß ist er als Künstler auf dem Klaviere .… alle die ihn gehöret haben, stimmen darinne überein: daß er in seinem Vortrage an Leich­tig­keit, Fertig­keit, Feinheit und Delika­tesse, von niemanden übertroffen werden könnte. Es beweisen dieß schon seine Klavier­so­naten“.

Schwan­berger verstarb 1804 im Alter von 67 Jahren an Entkräf­tung und wurde auf dem Domfriedhof begraben. Peter Karsten hat mit seinem „Herzblut-Projekt“ hat ein spannendes Kapitel Braun­schweiger Kultur­ge­schichte aufge­schlagen. „Leider habe ich bislang keine Grabstelle Schwan­ber­gers mehr ausfindig machen können. Es wäre mein Wunsch, dass er durch eine Gedenk­tafel gewürdigt wird und nicht wieder in Verges­sen­heit gerät“, sagt Peter Karsten.

Das könnte Sie auch interessieren