Moderne Kunst hinter alten Mauern

In der Frellstedter Kirche findet eine der neun Ausstellungen statt. Foto: Ev.-luth. Kirchengemeindeverband Königslutter

Der 2. Projekttag „Kultur Land Kirchen“ der Braun­schwei­gi­schen Landschaft findet am 9. Juni im Landkreis Helmstedt statt.

Im Braun­schweiger Land gibt es eine bemer­kens­wert hohe Dichte an jahrhun­der­te­alten Kirchen. Diese Sakral­bauten prägen die Orte und geben ihnen geistig-kulturell wie auch topogra­phisch ein Zentrum. Nach dem 2022 erfolg­reich im Landkreis Wolfen­büttel veran­stal­teten Pilot­pro­jekt „Kultur Land Kirchen“ wird das Format am 9. Juni im Landkreis Helmstedt an neun Kirchen­stand­orten des Kirchen­ge­mein­de­ver­bandes Königs­lutter statt­finden. Es soll in Zukunft in den weiteren Mitglieds­kom­munen der Braun­schwei­gi­schen Landschaft fortge­setzt werden.

Der diesjäh­rige Projekttag „Kultur Land Kirchen“ verbindet die Kirchorte Frell­stedt, Lelm, Räbke, Rottorf, Süpplingen, Süpplin­gen­burg, Sunstedt, Warberg und Wolsdorf. In deren Innen- und Außen­räumen werden verschie­dene Kunst­werke wie Film, Fotografie, Malerei, Skulptur und Video gezeigt. Betei­ligte Künst­le­rinnen und Künstler sind Ole Blank, Sergii Brilov, Joshua Grabietz, Jette Held, Gregor Kiese­ritzky, Fumiko Kikuchi, MADE BY US, Stella Oh und Julia Wally Wagner.

Die Arbeiten von Stella Oh werden in der Süpplinger Kirche gezeigt. Foto: Braun­schwei­gi­sche Landschaft

Umfang­rei­ches Rahmen­pro­gramm

Ergänzt werden die jewei­ligen Ausstel­lungen mit musika­li­schen Darbie­tungen, Workshop­an­ge­boten und Kurzfüh­rungen zu Archi­tektur und Geschichte der Kirchen. Der Projekttag findet in Zusam­men­ar­beit mit den Kirchen­ge­meinden, Vereinen und Verbänden vor Ort statt und möchte neue Denk- und Erfah­rungs­räume eröffnen. Das vielfäl­tige Programm kann dabei mit dem Fahrrad erkundet werden, so dass zwischen den teilneh­menden Kirchen­orten die Landschaft erfahren werden kann. Verbunden werden alle Kirchorte durch eine vom ADFC Wolfsburg angebo­tene Fahrrad­tour. Es sind noch Anmel­dungen möglich. Die Strecke ist etwa 32 Kilometer lang. Start ist um 11 Uhr in Sunstedt. Weitere Infor­ma­tionen zum Programm sind hier abrufbar.

„Kultur Land Kirchen“ wird unter anderem von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz gefördert.

Die Ausstel­lungen

Sergii Brilov/ Lelm: Der in Krement­schuk lebende und arbei­tende Künstler Sergii Brilov hat seit Beginn des Krieges in der Ukraine mehr als 80 Illus­tra­tionen geschaffen, die den jüngsten Ereig­nissen gewidmet sind. Seine in der St.Maria Kirche in Lelm gezeigte Serie von Plakaten im Stil der Pop-Art hat den Titel „War Diary“. Er bezeichnet sich selbst als Konzept­künstler und signiert seine Arbeiten als „ostromisl“. Sie sind seit 2010 in lokalen und inter­na­tio­nalen Ausstel­lungen zu sehen. In der Ukraine ist er vor allem durch seine Wandge­mälde im öffent­li­chen Raum bekannt geworden.

Jette Held/ Räbke: Jette Held hat ihr Studium der freien Kunst an der HBK Braun­schweig als Meister­schü­lerin von Natalie Czech in der Fachklasse für Fotografie abgeschlossen. Ihre Arbeiten beschäf­tigen sich mit der Natur, sind aber weit entfernt von klassi­scher Natur- und Landschafts­fo­to­grafie. Sie entstehen in Gemein­schaft mit der Natur und finden oft in Fotogrammen ihre Form. Wasser ist dabei seit vielen Jahren ein primärer Bestand­teil. So werden auch die in der St.Stephani Kirche in Räbke zu sehenden Arbeiten im Zusam­men­wirken mit der „Schunter“ entstehen.

made by us/ Warberg: MADE BY US – Radio­ak­tive Strahlung in Deutsch­land und Japan ist ein politi­sches und medien­re­fle­xives Kunst­pro­jekt von Saori Kaneko (*1976) und Richard Welz (*1989). Seit der Atomre­aktor-Katastrophe von Fukushima Daiichi im Jahr 2011 entwi­ckelt das Kollektiv Kunst­werke, in denen die Thematik Radio­ak­ti­vität aufge­griffen wird. In „SCREENING JAPAN“ regen drei 16mm-Filmpro­jek­toren eine mit phospho­res­zie­render Farbe erstellte Landschafts­ma­lerei an. Es zeigt Aufnahmen von Aufräum­ar­beiten, Säcken radio­ak­tiven Inhaltes und einem Ökogarten in Fukushima mit abstrakten Abbil­dungen, die durch Pechblende aus dem Erzge­birge verändert wurden.

Übersicht zu den Ausstel­lungs­orten: Foto: Braun­schwei­gi­sche Landschaft

Juli Wally Wagner/ Wolsdorf: Jujax_Julia Wally Wagner_„Wer keinen Mut zum Träumen hat – hat keine Kraft zum Kämpfen.“ Die Arbeiten der in Helmstedt lebenden Künst­lerin Julia Wally Wagner sind vielfältig, farben­froh und filigran. Alle Jahre wieder verwirft sie und beginnt Neues. Fantasie ist für sie die Grundlage dessen, was sich formt und bildet.

Fumiko Kikuchi/ Frell­stedt: Die dokumen­ta­ri­sche Drei-Kanal-Video­in­stal­la­tion “Glück auf” (2018) der Künst­lerin Fumiko Kikuchi (*1986) behandelt das Schicksal zweier ehema­liger Bergbauern aus Japan. Hinter­grund ist die Geschichte von Kohle­berg­bauern, die zwischen 1957 und 1965 als Gastar­beiter im Ruhrge­biet arbei­teten. Dabei gab es ein merkwür­diges Missver­ständnis um das Wort „Gastar­beiter“. Viele Bergleute dachten, sie wären einge­laden, in Deutsch­land Vorträge zu halten. Nach einer Weile unter Tage merkten sie, dass sie keine Gäste waren.

Stella Oh/ Süpplingen: Die Künst­lerin Stella Oh (*1995) hat im Jahr 2021 ihr Studium der Freien Kunst an der HBK Braun­schweig als Meister­schü­lerin von Olav Chris­to­pher Jenssen abgeschlossen. In ihren großfor­ma­tigen Malereien verdichten sich Gefühls­zu­stände, die in atmosphä­ri­sche, moment­hafte Erinne­rungs­bilder übersetzt werden. Für das Projekt Kultur Land Kirchen hat Stella Oh ein großfor­ma­tiges Polyp­ty­chon angefer­tigt, dass in zwei Teilen um den Eingangs­be­reich der St. Lambertus Kirche in Süpplingen instal­liert wird.

Ole Blank/ Süpplin­gen­burg: Ole Blanks (*1990) Raumin­stal­la­tionen, Skulp­turen, Videos und multi­me­diale Instal­la­tionen entwi­ckeln sich oft aus alltäg­li­chen Beobach­tungen, in deren Zentrum bestimmte Orte stehen; Orte, die mit Erinne­rungen, Mythen, Geschichten verbunden sind, gesetzte und besetzte Orte. Die Realität dieser geogra­fi­schen Orte oder gebauten Räume werden in den Arbeiten des in Hannover lebenden Künstlers durch seine künst­le­ri­schen Inter­ven­tionen und Instal­la­tionen zu Fiktionen. Sie hinter­fragen mit ironi­scher Dramatik und hinter­sin­nigem Witz im Sinne von “Was-Wäre-Wenn” unsere bestehenden Ansichten, tradi­tio­nelle Denk- und Handlungs­muster. Ole Blank ist aktuell Stipen­diat und Preis­träger des Kunst­ver­eins Hannover.

Joshua Grabietz/ Rottorf: Der Bildhauer Joshua Grabietz (*1995) ist gebür­tiger Braun­schweiger. Dort lebt und arbeitet er auch. Seine Arbeiten zeichnen sich durch humor­volle Titel aus, die oft einen Kontrast zu den düsteren Keramiken bilden. Er kreiert Traum­welten, in denen Kindheits­er­in­ne­rungen, antike Geschichten und popkul­tu­relle Elemente verschmelzen. Diese Szenen zeigen oft Ausein­an­der­set­zungen mit dem Selbst und den mensch­li­chen Grund­zügen. Joshua model­liert in seinen Skulp­turen urban-mytho­lo­gi­sche Welten, um seine Sicht auf die heutige Zeit und ihre Komple­xität einzu­fangen, manchmal auch, um ihr vorüber­ge­hend zu entkommen.

Gregor Kieseritzky/ Sunstedt: Sound als raumfül­lendes Medium steht im Fokus des in Hannover lebenden und arbei­tenden Künstlers Gregor Kiese­ritzky (*1992). Generativ program­mierte Klänge ermög­li­chen ihm Sound­ar­beiten, die keinen Anfang und kein Ende haben, die nie komplett gehört, aber dafür frei betreten, verlassen und als Situation erlebt werden können. In der Sunstedter Kirche wird eine neue Version der Sound­ar­beit „Ein Spiel, eine Metapher, ein Vorschlag, so oder so ähnlich könnte es vielleicht etwas werden“ (2023) zu hören sein, zu deren sperrig vorsich­tigen Titel etwas ganz Leichtes gehört: der Klang eines endlosen Feder­ball­spiels.

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