Puppen für Mädchen, Zinnsol­daten für Jungs

Ein Junge spielt mit Zinnsoldaten, Gemälde aus dem 19. Jahrhundert eines unbekannten Malers. Foto: Wikipedia
Ein Junge spielt mit Zinnsoldaten, Gemälde aus dem 19. Jahrhundert eines unbekannten Malers. Foto: Wikipedia

Braun­schwei­gi­sche Geschichte(n), Folge 18: Weihnachts­ge­schenke am Braun­schwei­gi­schen Hof gab es nach Tagebuch­auf­zeich­nungen von Herzog Ludwig Rudolf mindes­tens schon seit 1701.

Abgesehen von einzelnen Bräuchen der Vorweih­nachts­zeit, wie dem „Umgang“ des Weihnachts­mannes zwischen 6. Dezember und Heilig Abend bewegt sich die kultur­ge­schicht­liche Tradition des Weihnachts­festes in Braun­schweig im Rahmen der deutschen Weihnachts­ge­schichte. Die Besche­rung der Kinder bildete nachweis­lich seit dem späten 17. Jahrhun­dert den Höhepunkt der weihnacht­li­chen Famili­en­feier. Bis zu Beginn des 20. Jahrhun­derts fand diese stets am Morgen des 25. Dezember statt. Aus Zeitungs­an­zeigen lässt sich seit dem 18. Jahrhun­dert ablesen, welche Geschenke zu bestimmten Zeiten bevorzugt worden waren.

In der Frühzeit des Festes blieben die Gaben­ti­sche der Kinder noch recht bescheiden ausge­stattet: Äpfel, Nüsse, Pfeffer­nüsse und die begehrten Bratjen­kerls. Dies waren Figuren aus Dörrobst, die eine Braun­schweiger Spezia­lität darstellten und vielfach auch den Weihnachts­baum schmückten. Und es gab natürlich den berühmten Honig­ku­chen, dessen Herstel­lung in der Stadt nachweis­lich bis ins 16. Jahrhun­dert zurück­reicht. Schon 1617 bestand in Braun­schweig eine Honig­ku­chen­bä­ckerei. Von 1763 bis 1805 stellte Meister Johann Heinrich Menning sogar Lebkuchen her.

In späterer Zeit gab es für Kinder vor allem nützliche Gegen­stände wie Kleidung und Schul­sa­chen, aber auch Bücher und Gesell­schafts­spiele. Bei den Spiel­sa­chen waren im 19. Jahrhun­dert Zinnfi­guren und Militär­spiel­zeug für Jungen bevorzugt, während Mädchen Puppen und Puppen­stuben erhielten. Der damit verbun­dene „pädago­gi­sche“ Anspruch ist unschwer abzulesen.

Oft waren diese Geschenke so wertvoll für die Familien, dass man sie nach den Feier­tagen sorgfältig verpackte und erst im folgenden Jahr wieder unter den Weihnachts­baum legte. Meist war es selbst­ge­bas­teltes Spielzeug, obwohl in Braun­schweig nachweis­lich auch schon 1806 Spielzeug in Anzeigen zum Kauf angeboten wurde. Kramn­adler, Mecha­niker und Buchbinder boten dabei eine Fülle von verschie­den­ar­tigsten Spiel­sa­chen für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel an.

Zumindest in der sozialen Oberschicht war es auch schon seit dem 18. Jahrhun­dert üblich geworden, dass selbst Erwach­sene Geschenke austauschten. Von Herzog Ludwig Rudolf wissen wir aus Tagebuch­auf­zeich­nungen aus dem Jahr 1701 von solchen Geschenken, wobei sich aller­dings der Austausch über drei Tage erstreckte und keine eigent­liche „Besche­rung“ stattfand. Auch dürfte der geschmückte und mit Kerzen erleuch­tete Weihnachts­baum noch gefehlt haben.

In der Stadt Braun­schweig ist der tradi­tio­nelle Weihnachts­baum erstmals 1810 nachweisbar, jedoch liefern die Braun­schwei­gi­schen Anzeigen bereits Anfang Dezember 1790 erste Hinweise auf diesen Brauch. In einer Anzeige wurden damals „einige Kiepen Hohen Buchsbaum zu Weihnachts­bäumen für Kinder zu gebrau­chen“ angeboten.

Der Weihnachts­baum offen­barte aber auch die sozialen Gegen­sätze im Brauchtum. Erwerb durch Kauf war nur dem wohlha­benden städti­schen Bürgertum möglich, weshalb sich die ärmere Bevöl­ke­rung selbst im Wald versorgte. Dies führte zu Problemen in der Forst­wirt­schaft und um den stadt­nahen Baumbe­stand zu schützen, wurden anfangs sogar Weihnachts­bäume für den häusli­chen Gebrauch durch Verord­nungen verboten. Letztlich setzte sich der Brauch, im Famili­en­kreis unter dem Tannen­baum zu feiern, im 19. Jahrhun­dert allmäh­lich dennoch durch.

Der Baumschmuck bestand meist aus Kerzen, Äpfeln, vergol­deten Nüssen, Figuren­ge­bäck, das mit rotem und weißem Zucker­guss verziert war und natürlich aus Bratjen­kerls. Erst im 20. Jahrhun­dert folgten Glasku­geln und Lametta.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

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