Toi, toi, toi, kleiner Löwe

Wilde Tiere im Theater Fadenschein. Foto: Meike Buck
Wilde Tiere im Theater Fadenschein. Foto: Meike Buck

Für das Projekt „Theater vor Ort“ probt die Figuren­spie­lerin Miriam Paul mit Kinder­gar­ten­kin­dern kleine Theater­stücke. Geschichte, Drama­turgie, Kostüme – die Kinder machen alles selbst. Und üben dabei spiele­risch richtig sprechen und soziale Kompe­tenzen, um auf den Einstieg ins Schul­leben vorbe­reitet zu sein.

Im Theater Faden­schein geht es tierisch wild zu. Doch der Löwe ist krank. Und das ausge­rechnet bei der bedeu­tenden General­probe. Umso wichtiger, dass Eichhörn­chen, Katze und die beiden Tiger ihren Text können. Die Figuren­spie­lerin Miriam Paul übt mit Braun­schweiger Kinder­gar­ten­kin­dern ein selbst entwi­ckeltes Stück ein. Idee, Geschichte, Drama­turgie, Kostüme – alles machen die Kinder selbst. Einzige Vorgabe: jedes Kind stellt ein Tier dar. Neben Mäusen, Leoparden und Löwen hüpfen nun auch Delphine, Papageien und Einhörner über die Bühne.

Das theater­päd­ago­gi­sche Konzept „Theater vor Ort“ hat Paul in Koope­ra­tion mit dem Theater Faden­schein entwi­ckelt. Bei jedem Projekt können vier Gruppen mit maximal zehn Kindern teilnehmen. Für den Herbst steht der zweite Durchgang des Jahres an. Mit dabei sind dann das Ev.- luth. Kinder- und Famili­en­zen­trum St. Georg, die städti­sche Kita Schöl­ke­straße mit zwei Gruppen

und die DRK KiTa Broit­zemer Straße. Jede Gruppe erarbeitet ein eigenes Stück, das am Ende im Theater Faden­schein aufge­führt wird. Die Auffüh­rungen werden am 3. und 4. November sein.

Seit dem Projekt­be­ginn im Jahr 2014 unter­stützt die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz die kleinen Schau­spieler. Die können sich auf der Bühne spielend auspro­bieren – und üben ganz nebenbei richtig sprechen und soziale Kompe­tenzen. „Wir arbeiten vor allem mit Kindern im letzten Jahr vor der Schule“, erzählt Paul. Disziplin üben, soziale Kompe­tenzen und sich sprach­lich ausdrü­cken können bereitet sie auf den Einstieg ins Schul­leben vor. Deshalb ist auch das Dialog­werk Braun­schweig vom Haus der Familie, das Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen bei der Sprach­för­de­rung und Sprach­bil­dung von Kindern unter­stützt, ebenfalls von Anfang an dabei.

Bei unsereoben-Besuch waren die städti­sche Kinder­ta­ges­stätte Christian-Friedrich-Krull-Straße, die Caritas-Kita Maximi­lian Kolbe, die Kita Morgen­stern Kralen­riede und die Kita Farbklecks Broitzem dabei. Den Auftakt des Projektes bildete im April ein Besuch im Theater Faden­schein, die Kinder durften eine Vorstel­lung von Miriam Paul anschauen. Für einige war dies der erste Kontakt mit Theater. „Viele Gruppen kommen aus sozialen Brenn­punkten der Stadt“, erzählt Paul. „Ein Teil der Kinder hat einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund.“

Im Projekt schlüpften die Kinder in Tierrollen, gemeinsam mit Paul denken sie sich eine Geschichte darum aus. Über anfäng­liche Impro­vi­sa­tionen entsteht so schließ­lich das Drehbuch. Neben dem Stück erarbeiten die Kinder auch ihre Kostüme selbst, Paul kommt einmal die Woche in die jeweilige Einrich­tung und bastelt Masken mit ihnen – je nachdem, welche Tiere die Kinder darstellen.

Dass die Kinder sich auf der Bühne auspro­bieren können und Freude beim Spiel haben ist Paul wichtig. Sie staunt dabei immer wieder über die Tiere, die die Kinder für sich wählen und die unter­schied­li­chen Charak­tere. „Ganz schüch­terne Kinder suchen sich manchmal ein wildes, starkes Tier aus. Umgekehrt werden die sonst selbst­be­wussten Kinder auf der Bühne mitunter ganz klein.“ Dabei nimmt sie den Blick der Künst­lerin ein und wird so auch von den Kindern wahrge­nommen, die Pädagogik vermit­telt sie quasi „nebenbei“. Um dem Bewegungs­drang der Kinder nachzu­geben hat sie sich für das Masken­theater entschieden und nicht für ein Figuren­theater.

Für die General­probe kommen die Kinder nun wieder ins Theater – dieses Mal natürlich durch den Künst­ler­ein­gang. Der Zuschau­er­raum wird dunkel, das Bühnen­licht geht an, der Vorhang öffnet sich. Aufgeregt warten die Kinder auf der Bühne auf ihren Einsatz. Und dann geht es los, die Tiere finden ein Geschenk, geraten darüber in Streit und werden schließ­lich Freunde. Oder sie bekommen Besuch aus dem Feenreich und müssen ihm helfen, den Eingang zur Märchen­welt wieder zu finden. Phantasie und Kreati­vität der Geschichten sind keine Grenzen gesetzt. Paul unter­stützt dies mit dem Gebrauch von wenigen, aber wirkungs­vollen Requi­siten und einem profes­sio­nellen Einsatz von Licht.

Der Text sitzt, aber laut und deutlich sprechen ist wichtig. Schließ­lich soll auch die Mutter in der letzten Reihe etwas verstehen. Lampen­fieber? Na klar, das gehört dazu.

Die Finan­zie­rung des Projekts steht auch schon für das kommende Jahr. Inter­es­sierte Kitas können sich an das Theater Faden­schein unter der Telefon­nummer 0531–330539 wenden.

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