Das erste Fußballspiel geht auf sein Konto
Große Sportpersönlichkeiten, Folge 3: August Hermann sorgte für den Durchbruch der Sportspiele und des Mädchenturnens.
Wenn es darum geht, wie der Siegeszug des Fußballs in Deutschland begann, dann fällt sofort der Name des Braunschweiger Pädagogen Konrad Koch. Spätestens durch den Kinofilm „Der ganz große Traum“ wurde ihm ein publikumswirksames Denkmal gesetzt. Tatsächlich handelt es sich dabei aber nur in Teilen um Tatsachen. Vielmehr ist es eine Geschichte, die sich gut erzählen lässt, aber haarscharf an der Realität vorbeischrammt. So wird im Film der Eindruck erweckt, Koch habe von seinem England-Aufenthalt bereits selbst einen Fußball mitgebracht. Doch das ist falsch, denn es war „nur“ die Begeisterung für das neue Spiel, das anfangs abfällig als „Fußlümmelei“ verschmäht wurde und heute Millionen in seinen Bann zieht.
Fußball aus England besorgt
„Die größte Bedeutung für die Einführung des Fußballspiels sah Konrad Koch in der Tatsache, dass es August Hermann gelang, einen Fußball zu beschaffen. August Hermann ließ sich 1874 aus England einen ‚echten‘ Fußball kommen und warf diesen an einem Oktobertage ohne jede Vorbereitung unter seine Schüler, die sich vor den Toren der Stadt auf einem Anger der Domäne St. Leonhard zu Schulspielen versammelt hatten. Jener Versuch ist als die Geburtsstunde des Fußballspiels in Deutschland anzusehen“, klärt Braunschweigs bedeutender Sport-Chronist Kurt Hoffmeister († 2020) in seinem Standardwerk „150 Jahre Sport in Braunschweig“ (ersch. 1982) auf.
Autor und Heimatforscher Thomas Ostwald, selbst als Komparse im Film „Der ganz große Traum“ kurz zu sehen, weiß gar zu berichten, dass Hermanns Frau eine Pension betrieb, in der britische Staatsbürger übernachteten. Über einen dieser Kontakte sei das runde Leder schließlich nach Braunschweig gekommen, meint er.
Für Braunschweig war August Hermann im Vergleich zu Konrad Koch, der die ersten deutschen Fußball-Regeln (1875) verfasst hat, die bedeutendere Sportpersönlichkeit. Koch und Hermann waren beide Lehrer am Martino Katharineum (MK) und ein kongeniales Duo. Der am 14. September 1835 in Lehre geborene August Hermann gilt in der Braunschweiger Sportgeschichte als jener Sportpädagoge, der den Sportspielen und dem Mädchenturnen zum Durchbruch verholfen hat.
Basketball eingeführt
Er führte auch das Basketball-Spiel am MK ein (1895) und schrieb für dieses neue Schulspiel das erste deutsche Regelwerk. Die Anregung dazu lieferte ihm sein in Nordamerika studierender Sohn. Hermann nannte das Spiel noch Korbball, weil in jener Zeit englische Ausdrücke in Deutschland verpönt waren. Das erhaltene und illustrierte Original-Regelwerk weist jedoch eindeutig auf das von Dr. James Naismith in Nordamerika erfundene Basketball-Spiel hin. Der Arzt und Pädagoge aus Kanada hatte im Dezember 1891 in einer Turnhalle in Springfield/Massachusetts erstmals Schüler mit einem Fußball auf einen Pfirsichkorb werfen lassen.
Hermann hatte während seiner Ausbildung am Lehrerseminar in Wolfenbüttel das Turnen bei der Turngemeinde des Großen Gymnasiums kennen und lieben gelernt. Die Turnerei ließ ihn fortan nicht mehr los. Er ging nach Dresden, um dort an der königlichen Turnlehrer-Ausbildungsanstalt zu studieren. So wurde er Braunschweigs erster Turnlehrer. Zurück in der Stadt, gründete er zunächst eine Privatturnschule für Mädchen und Jungen, erhielt aber bald den Auftrag, die Turnlehrer-Ausbildung am Lehrerseminar in Braunschweig zu übernehmen (1863). Mit der Turnlehrerinnenausbildung wurde – ebenfalls unter Hermanns Leitung – 1884 begonnen.
Verbindlichen Sportunterricht gefordert
20 Jahre vorher hatte August Hermann seine viel beachtete Schrift „Über die Notwendigkeit der Leibesübungen für die Jugend“ veröffentlicht. Darin heißt es: „Man hat bisher das wichtigste der positiv fördernden Mittel zu einer kräftigen, körperlich-geistigen Entwicklung vernachlässigt, die der Schule hauptsächlich zukommen, die in berechneter und systematischer Weise die Kräftigung der körperlichen Grundlage des menschlichen Wesens bewirken. Man hat es vergessen, dass die geistige Kultur nur gedeihen kann bei und mit einer körperlichen Kultur und dass die letzte von der Schule mit unternommen werden muss, und zwar umso mehr, als die häusliche Erziehung unserer Tage darin so viel schuldig bleibt. Dieses positiv förderliche Mittel ist: Einführung eines systematischen Turnunterrichtes als verbindlicher Unterrichtsgegenstand in allen öffentlichen Schulen unseres Landes.“
Zahlreiche weitere Veröffentlichungen über das Turnen und den Sport im Allgemeinen folgten. Sie unterstrichen die große Bedeutung Hermanns für den Sport in jener Zeit. Die Verdienste des „Turners und Poeten“, wie er seinerzeit respektvoll bezeichnet wurde, wurden mit der Ernennung zu einem herzoglich-braunschweigischen Turninspektor gewürdigt.
Nationale Aufgaben
Im außerschulischen Bereich war Hermann, der auch einen Gedichtband in ostfälischer Mundart (Platt) verfasste, 1866 an der Gründung der Elmwettkämpfe, des zweitältesten deutschen Bergturnfestes, beteiligt. Er gilt auch als der Begründer der volkstümlichen Wettkämpfe, den sogenannten „Sedan-Wettkämpfen“. Auf seine Veranlassung geht auch der Beschluss von 1876 zurück, das sportliche Spiel neben dem reinen Turnbetrieb an den Schulen zuzulassen. Später wurde August Hermann zum Vorsitzenden der deutschen Turnlehrer-Versammlung gewählt. Er erhielt Anfang der 1890er Jahre außerdem eine Berufung in den Vorstand des deutschen Zentral-Ausschusses für Volks- und Jugendspiele.
August Hermann starb am 20. Februar 1906 im Alter von 70 Jahren.