Das erste Fußball­spiel geht auf sein Konto

Sportpädagoge August Hermann (1835 – 1906). Foto: Universitätsbibliothek TU Braunschweig
Sportpädagoge August Hermann (1835 – 1906). Foto: Universitätsbibliothek TU Braunschweig

Große Sport­per­sön­lich­keiten, Folge 3: August Hermann sorgte für den Durch­bruch der Sport­spiele und des Mädchen­tur­nens.

Wenn es darum geht, wie der Siegeszug des Fußballs in Deutsch­land begann, dann fällt sofort der Name des Braun­schweiger Pädagogen Konrad Koch. Spätes­tens durch den Kinofilm „Der ganz große Traum“ wurde ihm ein publi­kums­wirk­sames Denkmal gesetzt. Tatsäch­lich handelt es sich dabei aber nur in Teilen um Tatsachen. Vielmehr ist es eine Geschichte, die sich gut erzählen lässt, aber haarscharf an der Realität vorbei­schrammt. So wird im Film der Eindruck erweckt, Koch habe von seinem England-Aufent­halt bereits selbst einen Fußball mitge­bracht. Doch das ist falsch, denn es war „nur“ die Begeis­te­rung für das neue Spiel, das anfangs abfällig als „Fußlüm­melei“ verschmäht wurde und heute Millionen in seinen Bann zieht.

Fußball aus England besorgt

„Die größte Bedeutung für die Einfüh­rung des Fußball­spiels sah Konrad Koch in der Tatsache, dass es August Hermann gelang, einen Fußball zu beschaffen. August Hermann ließ sich 1874 aus England einen ‚echten‘ Fußball kommen und warf diesen an einem Oktober­tage ohne jede Vorbe­rei­tung unter seine Schüler, die sich vor den Toren der Stadt auf einem Anger der Domäne St. Leonhard zu Schul­spielen versam­melt hatten. Jener Versuch ist als die Geburts­stunde des Fußball­spiels in Deutsch­land anzusehen“, klärt Braun­schweigs bedeu­tender Sport-Chronist Kurt Hoffmeister († 2020) in seinem Standard­werk „150 Jahre Sport in Braun­schweig“ (ersch. 1982) auf.

Autor und Heimat­for­scher Thomas Ostwald, selbst als Komparse im Film „Der ganz große Traum“ kurz zu sehen, weiß gar zu berichten, dass Hermanns Frau eine Pension betrieb, in der britische Staats­bürger übernach­teten. Über einen dieser Kontakte sei das runde Leder schließ­lich nach Braun­schweig gekommen, meint er.

Für Braun­schweig war August Hermann im Vergleich zu Konrad Koch, der die ersten deutschen Fußball-Regeln (1875) verfasst hat, die bedeu­ten­dere Sport­per­sön­lich­keit. Koch und Hermann waren beide Lehrer am Martino Katha­ri­neum (MK) und ein konge­niales Duo. Der am 14. September 1835 in Lehre geborene August Hermann gilt in der Braun­schweiger Sport­ge­schichte als jener Sport­päd­agoge, der den Sport­spielen und dem Mädchen­turnen zum Durch­bruch verholfen hat.

Basket­ball einge­führt

Er führte auch das Basket­ball-Spiel am MK ein (1895) und schrieb für dieses neue Schul­spiel das erste deutsche Regelwerk. Die Anregung dazu lieferte ihm sein in Nordame­rika studie­render Sohn. Hermann nannte das Spiel noch Korbball, weil in jener Zeit englische Ausdrücke in Deutsch­land verpönt waren. Das erhaltene und illus­trierte Original-Regelwerk weist jedoch eindeutig auf das von Dr. James Naismith in Nordame­rika erfundene Basket­ball-Spiel hin. Der Arzt und Pädagoge aus Kanada hatte im Dezember 1891 in einer Turnhalle in Springfield/Massachusetts erstmals Schüler mit einem Fußball auf einen Pfirsich­korb werfen lassen.

Hermann hatte während seiner Ausbil­dung am Lehrer­se­minar in Wolfen­büttel das Turnen bei der Turnge­meinde des Großen Gymna­siums kennen und lieben gelernt. Die Turnerei ließ ihn fortan nicht mehr los. Er ging nach Dresden, um dort an der könig­li­chen Turnlehrer-Ausbil­dungs­an­stalt zu studieren. So wurde er Braun­schweigs erster Turnlehrer. Zurück in der Stadt, gründete er zunächst eine Privat­turn­schule für Mädchen und Jungen, erhielt aber bald den Auftrag, die Turnlehrer-Ausbil­dung am Lehrer­se­minar in Braun­schweig zu übernehmen (1863). Mit der Turnleh­re­rin­nen­aus­bil­dung wurde – ebenfalls unter Hermanns Leitung – 1884 begonnen.

Verbind­li­chen Sport­un­ter­richt gefordert

20 Jahre vorher hatte August Hermann seine viel beachtete Schrift „Über die Notwen­dig­keit der Leibes­übungen für die Jugend“ veröf­fent­licht. Darin heißt es: „Man hat bisher das wichtigste der positiv fördernden Mittel zu einer kräftigen, körper­lich-geistigen Entwick­lung vernach­läs­sigt, die der Schule haupt­säch­lich zukommen, die in berech­neter und syste­ma­ti­scher Weise die Kräfti­gung der körper­li­chen Grundlage des mensch­li­chen Wesens bewirken. Man hat es vergessen, dass die geistige Kultur nur gedeihen kann bei und mit einer körper­li­chen Kultur und dass die letzte von der Schule mit unter­nommen werden muss, und zwar umso mehr, als die häusliche Erziehung unserer Tage darin so viel schuldig bleibt. Dieses positiv förder­liche Mittel ist: Einfüh­rung eines syste­ma­ti­schen Turnun­ter­richtes als verbind­li­cher Unter­richts­ge­gen­stand in allen öffent­li­chen Schulen unseres Landes.“

Zahlreiche weitere Veröf­fent­li­chungen über das Turnen und den Sport im Allge­meinen folgten. Sie unter­stri­chen die große Bedeutung Hermanns für den Sport in jener Zeit. Die Verdienste des „Turners und Poeten“, wie er seiner­zeit respekt­voll bezeichnet wurde, wurden mit der Ernennung zu einem herzog­lich-braun­schwei­gi­schen Turnin­spektor gewürdigt.

Nationale Aufgaben

Im außer­schu­li­schen Bereich war Hermann, der auch einen Gedicht­band in ostfä­li­scher Mundart (Platt) verfasste, 1866 an der Gründung der Elmwett­kämpfe, des zweit­äl­testen deutschen Bergturn­festes, beteiligt. Er gilt auch als der Begründer der volks­tüm­li­chen Wettkämpfe, den sogenannten „Sedan-Wettkämpfen“. Auf seine Veran­las­sung geht auch der Beschluss von 1876 zurück, das sport­liche Spiel neben dem reinen Turnbe­trieb an den Schulen zuzulassen. Später wurde August Hermann zum Vorsit­zenden der deutschen Turnlehrer-Versamm­lung gewählt. Er erhielt Anfang der 1890er Jahre außerdem eine Berufung in den Vorstand des deutschen Zentral-Ausschusses für Volks- und Jugend­spiele.

August Hermann starb am 20. Februar 1906 im Alter von 70 Jahren.

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