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Der grüne Zaun steht immer noch

Das Schulgebäude der NO, Haupteingang. Foto: Der Löwe
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Braunschweigs Schulen, Teil 2: Erst seit 1976 können auch Mädchen ihr Abitur an der Neuen Oberschule machen.

Es sind vor allem drei Dinge, die immer zur Sprache kommen, wenn Ehemalige aus den 1970er Jahren über ihre Neue Oberschule erzählen. Einmal ist das natürlich der sagenumwobene Zaun, der das damalige Mädchen-Gymnasium Ricarda-Huch-Schule von der Jungen-Schule NO hermetisch abriegeln sollte. Dann sind es die Anfänge des Darstellenden Spiels mit dem so engagierten Lehrer Harald Hilpert. Unvergessen seine Inszenierung der „Lysistrata“. Heute ist daraus mit der Schultheaterwoche eine braunschweigische Institution herangewachsen mit Strahlkraft weit über die Grenzen hinaus. Und nicht zuletzt die obligatorische Schülertaufe am kleinen Teich im Innenhof, die für alle neuen Mädchen und Jungen an der NO ein unvergessliches Erlebnis ist.

Die Neue Oberschule wurde 1828 als Herzogliches Realgymnasium gegründet und ist damit das zweitälteste staatliche Gymnasium Braunschweigs. Darum geht es in  Teil 2 unserer Reihe, in der wir Braunschweiger Schulen im monatlichen Turnus vorstellen. Die Serie ist als Kooperation mit der Facebook-Gruppe „Braunschweig im Wandel der Zeit“ gedacht, die unsere Beiträge teilt und ihre Mitglieder aufruft, Erinnerungen, Erlebnisse und Fotos darunter zu posten. Diese Artikel über Braunschweigs Schulen sollen allen Ehemaligen als Anregung dienen, sich mit „ihrer“ Schule mal wieder etwas näher zu befassen. Die Braunschweigische Landschaft, Dritter im Bunde dieser Reihe, plant zum Thema „Schulen“ ein geselliges Treffen im Garten des Hauses der Braunschweigischen Stiftungen.

Nullte Stunde am Samstag

Ich selbst war Schüler der NO, meine beiden Kinder, längst erwachsen, ebenfalls. Als ich kürzlich durch die Gebäude und über das Gelände schlenderte, kamen so viele Erinnerungen hoch. Wie das so oft im Leben ist: Die Rückschau macht erst deutlich wie glücklich die Zeit, in diesem Fall die Schulzeit, war. Ich dachte an charismatische Lehrer wie Willy Gierlichs oder Gerd Tröster, an Sommerferien im Zeltlager Dikjen Deel/Sylt, an meine Aufnahmeprüfung, die Handballspiele gegen die anderen Schulen bei „Jugend trainiert“, an die Ski-Freizeiten im Schullandheim Sonnenberg, an die nullte Stunde am Samstag und vieles mehr.

Ja, und eben auch an diesen grünen Maschendrahtzaun, der dann doch in vielerlei Hinsicht durchlässig war. Erst von 1976 an gab es Koedukation an der NO, wurden auch Mädchen in Klasse 5 eingeschult. Immerhin wagten NO und Ricarda zuvor schon einen Testlauf mit einem gemischten Gemeinschaftskunde-Leistungskurs – ein Halbjahr in der Ricarda und eines in der NO. Ich war dabei. Das hatte tatsächlich einen Hauch von der „Feuerzangenbowle“, in der Oberprimaner Hans Pfeiffer, gespielt von Heinz Rühmann, eine Mädchenklasse zum gemeinsamen Chemie-Unterricht ins Jungengymnasium lockt. Der Zaun steht übrigens heute noch, quasi als „Denkmal“. Gut so für einen wie mich, der 1977 Abitur machte.

Die Tradition der Schülertaufe

Eine wunderbare Tradition ist die Schülertaufe im Innenhof. Dazu schrieb der leitende Direktor Marten Kofahl im NO-Jahrbuch die anrührende Geschichte auf, wie es zu dem Brunnen im Innenhof kam: „Als der erste Schulleiter nach dem Zweiten Weltkrieg durch die zerstörte Stadt ging und lange vergeblich nach einem geeigneten Ort für sein neues Schulgebäude schaute, schlief er erschöpft in der Nähe einer kleinen Quelle ein. Im Traum erschien ihm ein Junge mit einem Fischleib, der zu ihm sagte: `Dies ist eine Quelle der Weisheit. Wenn Du Deine Schule an dieser Stelle baust und die Schüler mit diesem Wasser benetzt, wird sich ihr Wissen immer weiter vermehren. Außerdem werden sie dadurch zu einer starken Gemeinschaft zusammen wachsen.` Da erwachte der Schulleiter erfrischt, dachte lange über den Traum nach und sorgte schließlich dafür, dass seine Schule um diese Quelle herum aufgebaut wurde. Um die Quelle ließ er einen Garten anlegen und als Erinnerung an seinen Traum einen Brunnen bauen, an dessen Rand die Figur eines Jungen stand, der einen Fisch im Arm hielt: Junge und Fisch bilden eine enge Gemeinschaft und aus dem Maul des Fisches sprudelt unentwegt das Wasser der Weisheit.“ Der Schulleiter hieß damals übrigens Gerhard Linne, zu dem mein Vater einmal gerufen wurde, weil meine Leistungen nicht so waren, wie sie hätten sein sollen.

Innenhof der Begegnung

Als Kofahl 1984 als junger Lehrer an die N0 kam, war dieser Garten jedoch verwildert und wurde tatsächlich nur ein einziges Mal im Schuljahr für die Schulgemeinschaft geöffnet, nämlich wenn die neuen NO-ler getauft wurden. Dem jetzigen Direktor ist es, so schreibt er, gelungen, Unterstützer für die Wiedereröffnung des Gartens auch dadurch zu gewinnen, dass er ihnen die Geschichte von dem oben beschriebenen Traum erzählte. Mittlerweile ist der Innenhof ein alltäglicher Ort der Begegnung zwischen den rund 800 Schülerinnen und Schülern geworden und wird für verschiedene Veranstaltungen genutzt.

Die Neue Oberschule befindet sich an ihrem jetzigen Standort an der Beethovenstraße seit 1954. Ihr aktueller Name rührt von der verordneten Zusammenlegung von Realschulen und Realgymnasien im Jahr 1937 zu Oberschulen her. Zu diesem Zeitpunkt stand das Schulgebäude noch an der Breiten Straße in unmittelbarer Nachbarschaft zum Martino Katharineum. In der Bombennacht des 15. Okober 1944 wurden die Schulen komplett zerstört. Der Unterricht fand danach bis zur Fertigstellung des ersten Bauabschnitts der „Staatlichen Neuen Oberschule für Jungen“ 1954 an unterschiedlichen Schulen wie z.B. Comeniusstraße, Bürgerstraße oder Leonhardstraße statt. Seither gab es eine Reihe von Neu- und Anbauten wie zum Beispiel eines Musikpavillions, einer großen Sporthalle und eines Gebäudes mit weiteren Unterrichtsräumen in den 1960er und 1970er Jahren.

Eine Schule in bestem Zustand

Wer heute die NO besucht, entdeckt eine Schule in ausgezeichnetem Zustand. Im  Rahmen eines Public-Private-Partnership-Projekts wurden die bestehenden Gebäude saniert, ein Neubau mit Mediathek errichtet, den sowohl die NO als auch die Ricarda-Huch-Schule nutzen. Und es steht mittlerweile bereits ein weiterer Neubau mit zwölf zusätzlichen Räumen, der es ermöglichte, dass die „kleine NO“ für die Jahrgänge 5 bis 7 in der Schule Bültenweg aufgegeben werden konnte. So aufgestellt, ist die Neue Oberschule mittlerweile fünfzügig. Die NO bietet unter anderem bilingualen Unterricht, ist Stützpunktschule für Judo, unterhält eine Bläserklasse, besitzt eine Big Band und wurde als „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ausgezeichnet.

Die „Botnik“ fehlt

Als Ehemaligen überfällt einen ein wohliges Gefühl beim Gang durch die Pausenhalle, vorbei am Werkraum auf den großen Schulhof, wo früher in jeder Pause mit einem Tennisball auf die Tore aus Ranzen Fußball gespielt wurde. Nur eins fehlt eigentlich. Die sogenannte „Botnik“ hinter der Sporthalle, jene freie, verwilderte Fläche auf der wir einst saßen, einen Zehnerträger Wolters tranken und ein musikalischer Mitspieler „Angie“ von den Rolling Stones auf der Gitarre spielte. Ist doch schon lange her. Heute steht dort ein Studentenwohnheim.

Die Liste der Schulleiter:

August Heinrich Werner Brandes (1828–1858)
Ludwig August Berglein (1858–1883)
Karl Friedrich Ernst Koldewey (1884–1891)
Wilhelm Johann Dahl (1891–1909)
Karl Gottlieb Hildebrandt (1909–1923)
Karl Quensen (kommissarisch 1923–1924)
Theodor Hartung (kommissarisch 1924)
Karl Bergwitz (1924–1945)
Walter Hecke (kommissarisch 1945–1949)
Lothar Petzold (1949–1951)
Gerhard Linne (1951–1975)
Horst Strebe (1975–1989)
Gerhard Dziomba (1990–2004)
Marten Kohfahl (2006–heute)

 

Mehr Informationen:

Homepage: https://www.neue-oberschule.de/

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Gymnasium_Neue_Oberschule

Den Beitrag verfasste die ehemalige Schülerin Sonja Braband

Ehemaligenverein: https://www.ehemalige-der-no.de/homepage/

 

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