Der Hof war eine intime Sehens­wür­dig­keit

Hofansicht von Süden mit Hinterhaus zur Langen Straße aus dem 15. Jahrhundert. Aus: Hermann Flesche, Brunswiek, 1932

Verschwun­dene Kostbar­keiten, Teil 5: Das Mummehaus „Zur Eule“ Hintern Brüdern

 In der Nordhälfte der Braun­schweiger Innen­stadt hatten sich bis zur Zerstö­rung während des Zweiten Weltkrieges weitläu­fige Quartiere mit ihrer Bebauung aus dem späten Mittel­alter und der Frühen Neuzeit erhalten. Dies gilt in beson­derem Maße auch für das Umfeld von Petri- und Brüdern­kirche. Der leicht gewundene Straßenzug Hintern Brüdern verläuft noch heute nördlich der ehema­ligen Franzis­kaner-Kloster­kirche. Gegenüber dem Kirchenbau erhebt sich heute eine im Stil der Postmo­derne entwor­fene Wohn- und Geschäfts­haus­an­lage aus den 1980er Jahren.

Blick in den Hof nach Süden auf die Rückseite des Haupt­hauses. Aus: Hermann Flesche, Brunswiek 1932

Abwechs­lungs­rei­ches Stadtbild

Haupthaus Hintern Brüdern 18. Foto: Nieder­säch­si­sches Landesamt für Denkmal­pflege

Vor den Kriegs­zer­stö­rungen von 1944 bestand Hintern Brüdern aus einer fast lücken­losen histo­ri­schen Fachwerk­be­bauung. Breite Hauspar­zellen mit entspre­chend statt­li­chen Häusern wechselten mit beschei­denen Gebäuden und ergaben gegenüber der wuchtigen Bettel­or­dens­kirche ein abwechs­lungs­rei­ches Stadtbild. Die großen Grund­stücke erstreckten sich nach Norden bis zur Langen Straße. Auch in den Höfen existierten bisweilen histo­risch wertvolle Wohn- und Wirtschafts­ge­bäude. Über das Quartier zwischen den beiden Straßen­zügen verlief im 12./13. Jahrhun­dert die nördliche Stadt­be­fes­ti­gung des Weich­bildes Altstadt. Die einstige Stadt­mauer konnte anhand archäo­lo­gi­scher Befunde bei den Ausgra­bungen auf dem Gelände des heutigen Presse­hauses nachge­wiesen werden.

Zu den markanten Bürger­häu­sern gehörte das Anwesen Hintern Brüdern 18, für das wohl für das Jahr 1465 der Eigenname „Zur Eule“ überlie­fert ist. Noch älter ist eine Erwähnung als herzog­liche Münzschmiede (1321). Hinter dem vierge­schos­sigen Vorder­haus erstreckte sich eine der reizvollsten Hofan­lagen des alten Braun­schweigs. Der tiefe Hof grenzte mit seinem Rückge­bäude an die Lange Straße. Das wuchtige Haupthaus Hintern Brüdern besaß ein niedriges Zwischen­ge­schoss und ein überaus steil aufra­gendes Sattel­dach. Diese Merkmale deuten auf eine Bauzeit des Hauses im 15. Jahrhun­dert. Die Fassade wurde im 18. Jahrhun­dert in barocker Manier umgebaut, indem man die ursprüng­li­chen Geschoss­vor­kra­gungen besei­tigte und vor dem Dach ein mittiges Zwerch­haus aufsetzte. Die riesige Dachfläche erhielt eine Mansarde und durch­lau­fende Lüftungs­öff­nungen für Speicher­räume – eine für das alte Braun­schweig einzig­ar­tige Dachland­schaft. Auch das Dielentor erhielt eine barocke Gestal­tung mit Schnitzorna­menten.

Der Hof war eine Attrak­tion

Östliche Hofbe­bauung mit Renais­sance­fach­werk von 1594, frühe Farbauf­nahme. Aus: H. Edel: Die Fachwerk­häuser der Stadt Braun­schweig, 1928

Die Attrak­tion des Anwesens war der ringsum mit Fachwerk­häu­sern umbaute Hof, dessen verwin­kelter Umriss die maleri­sche Wirkung des Ensembles noch steigerte. Ältestes Bauwerk auf dem Grund­stück war jedoch eine Kemenate an der Westseite des Grund­stücks, die vermut­lich im 13. Jahrhun­dert errichtet worden war. Sie zeigte sich jedoch durch das jüngere Fachwerk völlig umbaut. Aus dem Spätmit­tel­alter stammten die rückwär­tigen Anbauten an das Vorder­haus mit spätgo­ti­schem Treppen­fries und Heili­gen­fi­guren, das rückwär­tige Hofge­bäude zur Langen Straße (Treppen­fris) und ein Speicher an der östlichen Hofseite. Dort anschlie­ßend zog ein weiterer Fachwerkbau von 1594 im Gewand reichen Schnitz­werks der Spätre­nais­sance die Blicke auf sich. An der westli­chen Hofseite befanden sich auch jüngere Gebäude, darunter eine einge­schos­sige Remise. Die Hoffläche war mit Velpker Sandstein­platten und klein­tei­ligem Lesestein­pflaster belegt. Der Hof präsen­tierte sich nach Renovie­rung der Fassaden in den 1920er Jahren zuletzt in einem gepflegten Zustand und gehörte zu den intimen Sehens­wür­dig­keiten einer an Kultur­gü­tern überreich geseg­neten Stadt.

In den Gebäuden Hintern Brüdern 18 firmierte von 1907 bis zur Zerstö­rung in der Nacht zum 15. Oktober 1944 die bekannte Braun­schweiger Mumme­brauerei Nettel­beck. Nach der Vernich­tung des Firmen­sitzes verlegte die Brauerei ihren Standort 1947 nach Melverode, wo bis heute diese Spezia­lität der Löwen­stadt produ­ziert wird.

Elmar Arnhold ist Bauhis­to­riker (Gebautes Erbe) und Stadt­teil­hei­mat­pfleger. Auf Instagram @elmararnhold veröf­fent­licht er regemäßig Beiträge zu histo­ri­schen Bauten in Braun­schweig.

 

 

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