Die Hirsche kämpfen seit 1935

Die „Kämpfenden Hirsche“ am Eingang des Arboretums. Foto: Der Löwe
Die „Kämpfenden Hirsche“ am Eingang des Arboretums. Foto: Der Löwe

Berliner Bildhauer Darsow schuf die Riddags­häuser Skulptur zur Einwei­hung des Jägerhofs in der Buchhorst.

Die überra­schende Anfrage kam aus Luxemburg und landete bei der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz (SBK). Was hat es mit der Skulptur der beiden kämpfenden Hirsche in Riddags­hausen am Eingang des Arboretums auf sich? Seit wann stehen sie da, wer hat sie in Auftrag gegeben? Fragen über Fragen, und so einfach lassen sie sich nicht beant­worten. Da muss schon ein echter Experte ran. Und wer weiß schon mehr über Riddags­hausen als Stadt­teil­hei­mat­pfleger Reinhard Wetterau?

Ansichtskarte vom Jägerhof in der Buchhorst aus dem Jahr 1938. Der Foto: Archiv Wetterau
Ansichts­karte vom Jägerhof in der Buchhorst aus dem Jahr 1938. Der Foto: Archiv Wetterau

„Es ist davon auszu­gehen“, sagt er, „dass der Auftrag für den Guss der Riddags­häuser Plastik von der Braun­schweiger Landes­re­gie­rung kam, die dem damaligen Reichs­jä­gerhof in der Buchhorst ein beson­deres Gepräge geben wollte. Die Skulptur wurde zur Einwei­hung des Jägerhofs im Mai 1935 aufge­stellt. Der Berliner Bildhauer Johannes Darsow hatte die Plastik model­liert. Der Guss war schließ­lich in der Berliner Gießerei von Martin & Piltzing erfolgt. Diese Gießerei existiert noch heute“, berichtet Reinhard Wetterau.

Für die Gunst der Nazis

Der Jägerhof in Riddags­hausen war der erste von dreien, den die Natio­nal­so­zia­listen errichten ließen. Er trug den Namen „Hermann Göring“. Göring war einer der führenden Nazis und unter anderem auch Reichs­jä­ger­meister. Mit dem Bau wollte sich der NSDAP-Minis­ter­prä­si­dent des Freistaates Braun­schweig, Dietrich Klagges, die Gunst der Berliner Macht­haber weiterhin sichern, erläutert Reinhard Wetterau in seinem Beitrag „Riddags­hausen im Dritten Reich“ in der von der Braun­schwei­gi­schen Landschaft heraus­ge­ge­benen Broschüre „Das Braun­schwei­gi­sche Land im Natio­nal­so­zia­lismus“. Weitere Nazi-Jägerhöfe gab es noch in der Rominter Heide in Ostpreußen und in Grillenburg/Sachsen. Ein geplanter vierter in Wilhelms­thal bei Eisenach in Thüringen wurde kriegs­be­dingt nicht vollendet.

Das denkmal­ge­schützte Fachwerk­ge­bäude in Riddags­hausen, das künftig von der Evange­li­schen Stiftung Neuerke­rode als Jugend­hil­fe­ein­rich­tung genutzt wird, und die Skulptur der kämpfenden Hirsche befinden sich seit dem Jahr 2014 im Besitz der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz.

Die Hirsche haben gefallen

Die beiden von Darsow darge­stellten Hirsch haben, so erzählt Reinhard Wetterau einen histo­ri­schen Hinter­grund: „Einer der Hirsche war von Kaiser Wilhelm II. in der Rominter Heide geschossen worden. Der der andere wurde von Hermann Göring auf der Schorf­heide nördlich von Berlin erlegt.“ Offenbar hatten die Nazis Gefallen an der Skulptur gefunden. Denn für die Inter­na­tio­nale Jagdaus­stel­lung 1937 in Berlin entwarf Darsow eine weitere Hirsch-Skulptur. Dieses Standbild stellt den Hirsch „Raufbold“ dar, den Hermann Göring 1936 in der Rominter Heide geschossen hatte. Die Bronze­plastik steht heute im Tierpark Berlin-Fried­richs­felde. Ein Nachguss aus 1938 befindet sich seit 2013 auf dem Kurplatz im Kurort Hartha (Stadt Tharandt, Sachsen).

In den Nazi-Jäger­höfen sollten vor allem Staats­jagden ausge­richtet werden. In Riddags­hausen gab es lediglich zwei davon. Eine 1936 und dann noch einmal zwei Jahre später 1938. „Die Gebäude dienten in erster Linie für Tagungen der Gaujä­ger­meister sowie als Verwal­tungs­trakt des Jagdgaues Braun­schweig“, führt Reinhard Wetterau in seinem Beitrag „Riddags­hausen im Dritten Reich“ weiter aus.

Inter­na­tio­nale Gäste

Bericht im Stadtblatt der Braunschweigischen Landeszeitung vom 3. November 1936. Foto: Archiv Wetterau
Bericht im Stadt­blatt der Braun­schwei­gi­schen Landes­zei­tung vom 3. November 1936. Foto: Archiv Wetterau

Die erste Staats­jagd in Riddags­hausen fand am 3. November 1936 statt. Mit dabei waren unter anderem Gäste aus Frank­reich, Polen, Jugosla­wien, der Tsche­cho­slo­wakei, Schweden, Dänemark, Peru und Ägypten. Im Stadt­blatt der Braun­schwei­gi­schen Landes­zei­tung wurde ausführ­lich über das Ereignis berichtet.

„An einer Treibjagd, die am Montag­nach­mittag in der Riddags­häuser Feldmark und im angren­zenden Teich­ge­biet abgehalten wurde, nahm auch der Reichs­jä­ger­meister Hermann Göring mit seinen Gästen teil. Mancher Hase und mancher Fasan wurde dabei aufge­stö­bert. Natürlich fehlten die nötigen Zaungäste nicht, und besonders die Riddags­häuser Jungen waren – wie man so sagt – völlig im Bilde“, schreibt die Zeitung und berichtet von einer beson­deren Episode.

Fünf Mark für 17 Jungen

Demnach hatte sich ein waidwunder Hase zunächst ins Gebüsch gerettet. Doch die beobach­tenden Jungen spürten ihn auf, schlugen ihn tot und brachten ihn Göring. Der belohnte die Tat mit fünf Mark, die sich die 17 Jungen gerecht teilen sollten. „Fünf Mark an siebzehn, ja das ging ja gar nicht! Die Vorschläge überstürzten sich nur so, und es war schwer, den richtigen dabei heraus­zu­finden. Doch die Lösung war bald gefunden. Die Kolonne setzte sich in Bewegung. Onkel ‘Theo‘ wurde angesteuert; er hatte auch richtiges Verständnis und gab siebzehn Tafeln zu je dreißig Pfennig heraus. Jetzt ging die Rechnung auf“, heißt es in dem Bericht, der bei Reinhard Wetterau im Archiv bestens aufge­hoben ist.

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