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Die Polizei dachte schon an dreisten Diebstahl

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In einem neuen Projekt der Volkshochschul-Tochter Arbeit und Beruf GmbH werden Schrottfahrräder mit elektromobilen Fahrradgespannen eingesammelt, aufgearbeitet und an Bedürftige abgegeben.

Seit zwei Wochen sind Oliver Prätz (39) und Michael Brandes (43) im Stadtgebiet unterwegs und erhalten besondere Aufmerksamkeit, wo auch immer sie auftauchen. Die beiden früheren Arbeitssuchenden haben einen neuen Job gefunden: Sie sammeln herrenlose und oft störend abgestellte Schrottfahrräder ein. Aber eben nicht mit einem automobilen Transporter, wie das zu erwarten wäre, sondern mit elektrisch unterstützten Fahrradgespannen. Und weil das so ungewöhnlich ist, brachte es sogar schon die Polizei auf den Plan. Sie witterte Verbrechen, Diebstahl und stoppte die beiden kurzerhand. „Zum Glück hatten wir die Aufträge dabei, da war die Sache schnell erledigt“, schmunzeln Oliver Prätz und Michael Brandes. Sie fahren im Auftrag der Volkshochschul-Tochter Arbeit und Beruf GmbH.

Kooperation mit der Stadt

Das neuartige Projekt wird von der Richard Borek Stiftung unterstützt. Dank ihrer Förderung war die notwendige Anschaffung einer Kombination von Fahrrad plus E-Lastenanhänger sowie einem E-Bike mit konventionellem Lastenanhänger möglich. „Ohne diese Anschubfinanzierung, wäre die Umsetzung nicht möglich gewesen“, versichert Projektinitiator Rainer Junge, Abteilungsleiter bei der Arbeit und Beruf GmbH. „Den Aufbau für den E-Anhänger und den kompletten Anhänger für das E-Bike haben Mitarbeiter in der eigenen Metallwerkstatt gebaut“, ergänzt er. Unter dem Strich steht ein kleines, aber feines Vorzeigeprojekt für die Stadt Braunschweig.

Schrottfahrräder können und werden so in Zukunft kontinuierlich von der Arbeit und Beruf GmbH in Kooperation mit der Stadt Braunschweig eingesammelt. Bislang geschah das nur sporadisch. Die Fahrräder werden nach Möglichkeit in der Fahrradwerkstatt von Arbeit und Beruf aufgearbeitet und sozial Benachteiligten im Sozialkaufhaus Petzvalstraße für zehn Euro Kostenbeitrag zur Mobilitätsförderung zur Verfügung gestellt. Die nicht verwertbaren Fahrräder werden zerlegt und die Einzelteile fachgerecht recycelt. In der Fahrradwerkstatt sind damit vier bis fünf Erwachsene täglich beschäftigt.

Zunächst haben Oliver Prätz und Michael Brandes einen Vertrag über zwei Jahre erhalten. Die Förderfähigkeit des Projekts beträgt seitens des Jobcenters aber fünf Jahre und wird mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschöpft. Die Volkshochschule gewährleistet die kontinuierliche Umsetzung des Projekts. Sie verfügt in ihrer Fahrradwerkstatt über alle notwendigen Arbeits- und Verbrauschmaterialien. Der anfallende finanzielle Aufwand wird im Rahmen der kommunalen Beschäftigungsförderung von der Volkshochschule getragen. Die Gesamtkosten inklusive der Sachkosten betragen für die ersten zwölf Monate 78.000 Euro.

Jährlich werden 150 Räder aufgearbeitet

Zwischen 250 und 450 Fahrräder wurden bisher pro Jahr mit Transportern eingesammelt, etwa 150 im Schnitt jeweils aufgearbeitet und abgegeben. Oliver Prätz und Michael Brandes werden voraussichtlich mehr einsammeln. Denn sie sind Tag für Tag immer gemeinsam sechs Stunden unterwegs. Sie können dabei bis zu sechs Fahrräder bei einer Fuhre auf ihren Lastenanhängern transportieren. Natürlich können sie nicht jedes Schrottfahrrad einsammeln, das ihnen ins Auge fällt. Die Besitzverhältnisse müssen zuvor schon genau geklärt sein. Deswegen markiert das städtische Ordnungsamt auffällige Fahrräder mit einer Banderole. Wenn sich daraufhin sechs Wochen lang nichts tut, erhalten Oliver Prätz und Michael Brandes den Standort des Objekts mitgeteilt und den Auftrag, es zu entfernen. In einer Alukiste führen sie das notwendige Werkzeug mit, um gegebenenfalls Schlösser fachgerecht knacken zu können.

Stadtbild wird schöner

Neben den sozialen Aspekten wird zusätzlich das Stadtbild verschönert, weil die Schrottfahrräder von den Straßen, Plätzen und Gehwegen verschwinden. Viele solcher Fahrräder blockieren oftmals reguläre Fahrradabstellplätze. Das ist ein permanentes Ärgernis an vielen Stellen wie zum Beispiel auf dem Schlossplatz und sorgt für viel Verdruss bei den Radfahrern. „Uns haben der neuartige Charakter, die Nachhaltigkeit und das Gesamtpaket des Projekts überzeugt“, erläutert Erika Borek das Engagement der Richard Borek Stiftung.

Künftig wird es auch möglich sein, alte, nicht mehr benötigte Fahrräder zu spenden. Anmelden können sich Interessierte unter fahrrad@braunschweig.de. Nach einem vereinbarten Termin rücken dann Oliver Prätz und Michael Brandes mit ihren neuen E-Fahrradgespannen an und werden sicher von der Nachbarschaft besondere Aufmerksamkeit erhalten …

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