Fast wie eine normale Familie

: Viel Platz zum Toben: der große Garten hinter dem alten Fachwerkhaus. Foto: Rosemarie Garbe
: Viel Platz zum Toben: der große Garten hinter dem alten Fachwerkhaus. Foto: Rosemarie Garbe

Hof Martin des Pädago­gisch-Psycho­lo­gi­schen Therapie-Zentrum bietet Kindern aus schwie­rigen Famili­en­ver­hält­nissen ein neues Zuhause.

Das alte Fachwerk­haus mit dem großen Garten am Ende einer ruhigen Straße im Örtchen Lobmacht­ersen strahlt ländliche Idylle aus. Dort liegt der Hof Martin und dort haben drei Kinder aus schwie­rigen Famili­en­ver­hält­nissen ein neues Zuhause gefunden, für ein weiteres Kind ist noch ein Zimmer frei. Der Hof Martin ist ein Angebot des Pädago­gisch-Psycho­lo­gi­schen Therapie-Zentrums Braun­schweig (PPTZ) und gleich­zeitig die Verwirk­li­chung einer Idee von Martin Schwart­mann, der als Betreuer gemeinsam mit Lebens­ge­fährtin Maren Hille­geist auf dem Hof lebt.

Unter­stützt wird die Einrich­tung von der Kroschke Kinder­stif­tung. Sie hat auf dem Hof Martin die Anschaf­fung von Spiel­sa­chen und Werkzeug gefördert. Darüber hinaus hat die gemein­nüt­zige Kinder­stif­tung weitere Projekte des PPTZ unter­stützt.

Ort der Gebor­gen­heit

„Wir wollen etwas Gutes für die Kinder tun und ihnen die Chance geben, möglichst lange bei uns zu bleiben“, sagt Schwart­mann. Das können gut zehn Jahre sein. Dann beginnt für Schwart­mann der Ruhestand und Lukas (7), Mia (8) und Jonas (12)* sind volljährig. „Den Kindern gibt dieser lange Zeitraum Sicher­heit“, sagt Karsten Schubert, pädago­gi­scher Leiter des Jugend­hil­fe­ver­eins.

Treffpunkt in der der Sonne (von links): Karsten Schubert von PPTZ, Martin Schwartmann, Maren Hillegeist und Jonas. Foto: Rosemarie Garbe
Treff­punkt in der der Sonne (von links): Karsten Schubert von PPTZ, Martin Schwart­mann, Maren Hille­geist und Jonas. Foto: Rosemarie Garbe

Eine Sicher­heit, die viele der insgesamt rund 80 Kinder, die das PPTZ in Wohngruppen und Erzie­hungs­stellen betreut, in ihren Herkunfts­fa­mi­lien nie kennen­ge­lernt haben. „Diese Familien sind oft nicht fähig ein Kind großzu­ziehen“, sagt Schubert, „die Eltern sind vielfach überfor­dert.“ Gründe können Alkohol- oder Drogen­sucht sein. Manche leiden unter der Trennung von ihrem Partner, andere sind psychisch krank. Die Folgen machen den Kindern lange zu schaffen, die eine nässt ein, der andere stottert, der nächste ist hyper­aktiv. Dennoch ist es dem Pädagogen wichtig, dass die Mädchen und Jungen möglichst den Kontakt zu ihren Eltern halten: „Sie sollen wissen, wo sie herkommen.“ Auch eine Rückkehr in die Herkunfts­fa­mi­lien ist nicht ausge­schlossen.

Mit Gute-Nacht-Geschichten

Auf dem Hof Martin erleben Lukas, Mia und Jonas wie Familie sein kann: mit einem geregelten Tages­ab­lauf, gemein­samen Mahlzeiten, Abenden mit Spielen oder Fernseh­schauen und einer Gute-Nacht-Geschichte. In dem mehr als 200 Quadrat­meter großen Haus hat jedes Kind sein eigenes Zimmer, im Eingangs­be­reich können sie an einem großen Tisch die Hausauf­gaben machen, Martin Schwart­mann und Maren Hille­geist steht eine kleine abgeschlos­sene Wohnung zur Verfügung.

Jonas freut sich über die Pflanzen, die in seinem kleinen Beet wachsen. Foto: Rosemarie Garbe
Jonas freut sich über die Pflanzen, die in seinem kleinen Beet wachsen. Foto: Rosemarie Garbe

Hof und Garten bieten viele Möglich­keiten zum Toben und Spielen. Es gibt ein großes Trampolin, ein Tipi bietet Schutz vor Regen, auf einer Feuer­stelle lässt sich ein Lager­feuer machen. „Hier können die drei einfach mal Kind sein, frei leben, über Grenzen gehen, laut sein“, schwärmt Schwart­mann. In einer Werkstatt finden sich gut geordnet Hammer, Zangen, Sägen, Schutz­brillen, Schnitz­messer und viele andere Werkzeuge, denn die Vermitt­lung handwerk­li­cher Fertig­keiten spielt eine große Rolle. Und Jonas hat in einer Ecke des Gartens ein kleines Gemüse­beet angelegt und zeigt stolz auf seine zarten Pflänz­chen, auf Kräuter, Tomaten und Paprika.

Psycho­login unter­stützt

Unter­stüt­zung bekommen der Betreuer und seine Lebens­ge­fährtin von einer Psycho­login, drei Erzie­he­rinnen und einer Sozial­päd­agogin. Da die Kinder unter Bindungs­stö­rungen leiden, ist es wichtig, dass sie Kontakt zu den immer gleichen Personen haben, aber genauso wichtig ist es, dass die Gesichter mal wechseln. „Das führt zu Entspan­nung“, weiß Martin Schwart­mann.

Auch die Kontakte nach außen, zu Nachbarn und Gleich­alt­rigen dürfen nicht fehlen. Mittler­weile sind die Kinder vom Hof Martin im Dorf gut bekannt. Die jüngeren besuchen die Grund­schule im Nachbarort und der kleine Lukas hat bereits feste Freunde gefunden. Und wie es auch in anderen Familien üblich ist, dürfen die drei ihre Freunde nach Hause einladen.

Glücks­fall für das PPTZ

Schild an der Auffahrt. Foto: Rosemarie Garbe
Schild an der Auffahrt. Foto: Rosemarie Garbe

Für das PPTZ ist der Hof Martin ein Glücks­fall. Denn eigent­lich hatte der Vermieter in dem alten Bauern­haus aus dem 18. Jahrhun­dert mit dem 3000 Quadrat­meter großen Garten ein Mehrge­ne­ra­tio­nen­haus geplant. Diese Pläne sind jetzt vom Tisch und der Mietver­trag mit dem PPTZ wurde für insgesamt zehn Jahre abgeschlossen. Obwohl eine famili­en­nahe Unter­brin­gung positiv für die Entwick­lung der Kinder ist und einen Aufent­halt in Heimen vermeidet, ist es für den Jugend­hil­fe­verein leider das einzige Modell dieser Art. „Der Bedarf an derar­tigen Plätzen ist aber sehr groß“, sagt Schubert. „Es ist schwer jemanden zu finden, der eine derartige Arbeit machen will.“ Für Schwart­mann und seine Lebens­ge­fährtin passt es hingegen. „Auf dieses Lebens­mo­dell muss man sich einlassen“, schmun­zelt der Martin Schwart­mann.

*Alle Namen der Kinder sind geändert.

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