Meine Straße, meine Schule, mein Museum

Das Arbeitszimmer von Wilhelm Raabe. Foto: Raabe-Haus
Das Arbeitszimmer von Wilhelm Raabe. Foto: Raabe-Haus

Braun­schweigs Museen, Folge 6: In der Leonhard­straße 29a, wo sich heute das Raabe-Haus:Literaturzentrum Braun­schweig befindet, lebte der Schrift­steller von 1901 bis zu seinem Tode im Jahr 1910.

An den bedeu­tenden Braun­schweiger Schrift­steller Wilhelm Raabe (1831 – 1910) erinnert vieles in der Stadt. Ein Relief­por­trät zum Beispiel auf dem Magni­kirch­platz. Es wurde 1975 an der Stelle aufge­stellt, wo sich seit 1931 einst ein Wilhelm-Raabe-Brunnen befunden hatte. Sein Verbleib im Zweiten Weltkrieg ist ungeklärt. Im Östlichen Ringge­biet ist eine Straße nach Raabe benannt, im Heidberg ein Gymnasium und im Ausflugs­lokal „Grüner Jäger“ ein spezi­elles Zimmer. Ehren­bürger der Stadt war Raabe natürlich auch (1901), und er erhielt nach seinem Tod ein Ehrengrab (Abteilung 23) auf dem Braun­schweiger Haupt­friedhof. Die Stadt vergibt den Raabe-Litera­tur­preis, und seit 1911 schon existiert die Inter­na­tio­nale Raabe-Gesell­schaft mit Sitz in Braun­schweig, deren Vorsit­zender seit Langem Gerd Biegel ist. 1998 richtete die Stadt zusätz­lich die Wilhelm-Raabe-Forschungs­stelle ein. An diese Popula­rität kommen nicht mal Heinrich der Löwe oder Eintrachts Meister­mann­schaft ran.

Aber damit noch nicht genug der Erinne­rungs­kultur an Wilhelm Raabe. Schließ­lich gibt es auch noch das Raabe-Museum. In der im ersten Stock befind­li­chen Wohnung an der Leonhard­straße 29a, in der sich heute das kleine, aber feine Museum nebst städti­schem Litera­tur­zen­trum befindet, lebte der Dichter von 1901 bis zu seinem Tod im Jahr 1910. „Raabes bewohnten eine sehr geräumige Sieben-Zimmer­woh­nung. Sie hatte große helle Räume. Man konnte, ohne über den Flur zu gehen, von einem Zimmer ins andere gelangen, durch die ganze Zimmer­flucht … Die Räume waren fast vier Meter hoch und hatten Stuck­de­cken“, wird Raabes Enkel­tochter, Anna-Margarete Ehninger, auf der Inter­net­seite des Raabe-Hauses zitiert.

Eröffnung der Raabe-Gedächt­nis­stätte

Blick in die Ausstellung des Raabe-Hauses. Foto: Raabe-Haus
Blick in die Ausstel­lung des Raabe-Hauses. Foto: Raabe-Haus

Nach dem auch Raabes Ehefrau Bertha gestorben war (1914) blieb die Tochter Marga­rethe Raabe (1863–1947) weiterhin in der Leonhard­straße wohnen und verwaltet den Nachlass ihres Vaters. Das Haus wurde am 23. April 1944 durch einen Bomben­treffer schwer beschä­digt. Margarete hatte aber die Biblio­thek, die Handschriften und Zeich­nungen sowie das Mobiliar des Arbeits­zim­mers ihres Vaters zuvor ausge­la­gert und so gerettet. Nach der Wieder­her­stel­lung des Hauses eröffnete die Stadt Braun­schweig am 8. September 1948 die Raabe-Gedächt­nis­stätte, das heutige Braun­schweiger Raabe-Haus:Literaturzentrum Braun­schweig. Sie besitzt den nahezu vollstän­digen Nachlass des Schrift­stel­lers.

Raabe war am 21. Juli 1870 mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern nach Braun­schweig gezogen. Zuerst lebte die Familie übergangs­weise bei Berthas Mutter, Caroline Leiste, in der Straße Kattrep­peln. Danach bezogen die Raabes mehrere Mietwoh­nungen (Böckler­straße, Wolfen­büttler Straße, Leisewitz Straße, Am Windmüh­len­berg) ehe sie in die Leonhard­straße zog.

Poeti­scher Realismus und Pfisters Mühle

Außenansicht des Raabe-Hauses Leonhardstraße 29a. Foto: Raabe-Haus
Außen­an­sicht des Raabe-Hauses Leonhard­straße 29a. Foto: Raabe-Haus

Neben Theodor Fontane und Theodor Storm gehörte Raabe zu den bedeu­tendsten Vertre­tern des poeti­schen Realismus in Deutsch­land. Nach dem Abbruch der Schule und einer ebenfalls nicht beendeten Ausbil­dung zum Buchhändler in Magdeburg wurde sein Erstlings­werk, der Roman „Die Chronik der Sperlings­gasse“ (1856), ein unerwar­teter Erfolg und der Beginn einer bemer­kens­werten Karriere, in der auch Berlin und Stuttgart wichtige Stationen waren. Fast die Hälfte seines umfang­rei­chen litera­ri­schen Werkes mit rund 70 Romanen, Erzäh­lungen und Novellen schuf er jedoch in Braun­schweig.

Zu seinen bedeu­tendsten Werken zählt „Pfisters Mühle“. Darin machte Raabe auf die Umwelt­ver­schmut­zung durch die Indus­tria­li­sie­rung aufmerksam. Raabe habe sehr wohl gewusst, so schreibt Autor Kurt Hoffmeister in seinem Band „Wilhelm Raabes Leben und Wirken in Anekdoten“ (1983), dass sein Stil und seine Art zu erzählen, der Volks­tüm­lich­keit und Verbrei­tung seiner Werke abträg­lich waren. Aber er habe nicht daran gedacht, der Masse durch Aufgabe seiner krausen Schreibart entge­gen­zu­kommen. „Lieber lebte er in beschei­denen Verhält­nissen. Als er einmal mit seiner Familie spazieren ging und man an einem schönen, neuen, von Gärten umgebenen Landhaus vorüberkam, meinte seine Frau: Wer dort wohnen könnte! Raabes Antwort war: „Könnten wir haben, wenn ich bloß wollte! Ich will aber nicht!“, berichtet Hoffmeister.

Einen Mann wie Raabe näher kennen­zu­lernen, ist fraglos ein sehr spannendes Unter­fangen für viele Litera­tur­be­geis­terte. Der Besuch des Raabe-Hauses ist dafür jeden­falls der ideale Start­punkt.

Kontakt:

Raabe-Haus:Literaturzentrum Braun­schweig
Leonhard­straße 29a
38102 Braun­schweig

Telefon: 0531–70189317
E‑Mail: raabe-haus@braunschweig.de
Internet: www.literaturzentrum-braunschweig.de

Öffnungs­zeiten:

Di. 10 – 16 Uhr
Mi. 10 – 15 Uhr
Do. 10 – 14 Uhr
So. 15 – 17 Uhr

(Führungen sind nur innerhalb der Öffnungs­zeiten, nach telefo­ni­scher Absprache möglich)

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