Ein Handwer­ker­do­mizil aus dem Mittel­alter

Grubenhaus
Grubenhaus

Das Gruben­haus am Petersteich bei Süpplin­gen­burg zeigt das Alltags­leben unserer Vorfahren vor rund 1000 Jahren.

Das Lesen oder der Geschichts­un­ter­richt liefern erste Einblicke in das Alltags­leben im Mittel­alter. Viel begeis­terter lernt sich‘s jedoch, wenn etwas original nachge­baut ist oder man sogar selbst Hand anlegen kann. Unter anderem mit Förder­mit­teln der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE und der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz entsteht derzeit im Landkreis Helmstedt das Gruben­haus Süpplin­gen­burg. Von Juni 2014 an wird auf sehr verständ­liche Weise Schul­klassen und allen Geschichts­in­ter­es­sierten gezeigt, wie ein Handwer­ker­do­mizil um 1100 aussah. Die Rekon­struk­tion eines mittel­al­ter­li­chen Webhauses samt Innen­aus­stat­tung erfolgt am Origi­nal­fundort.

Auf etwa halber Strecke zwischen Königs­lutter am Elm und Helmstedt liegt Süpplin­gen­burg. Nicht nur Histo­riker, Heimat­for­scher und am mittel­al­ter­li­chen Leben Inter­es­sierte wissen, dass Kaiser Lothar III. dort seine Herkunfts­burg hatte. Dass darüber hinaus lediglich einen Steinwurf entfernt zwischen 800 und 1100 eine unbefes­tigte Siedlung existierte, kam 2002 durch archäo­lo­gi­sche Grabungen unweit der früheren Salzstraße zu Tage. Insgesamt standen dort einst rund 400 Häuser. Luftauf­nahmen hatten die Wissen­schaftler auf die Fährte gebracht. Die Fußböden der Siedlungs­häuser bei Süpplin­gen­burg lagen allesamt in einen Meter Tiefe, daher der Begriff Gruben­häuser. Zwischen zwölf und 16 Quadrat­meter maß die Grund­fläche der schlichten Häuser aus Holz und Lehm, die meist einen Zwischen­boden aufwiesen.
Es war ein ungewöhn­li­cher Fund, wie die für die Ausgra­bungen zustän­dige Kreis­ar­chäo­login Dr. Monika Bernatzky erklärt: „Eine Siedlung mit einer solchen Dichte haben wir in Norddeutsch­land bisher noch nicht gefunden.“ Die Textil­her­stel­lung nahm einen Großteil der handwerk­li­chen Tätig­keiten ein. Die Textil­pro­duk­tion sei weit über den Eigen­be­darf der Bevöl­ke­rung hinaus­ge­gangen, weiß die Wissen­schaft­lerin. „Die Handwerker webten Kleidung für den eigenen und den hochherr­schaft­li­chen Bedarf. Auch Stoffe für Zelte und Bettzeug dürften in den Gruben­häu­sern am Petersteich gefertigt worden sein.“

Ein glück­li­cher Umstand ist: Die Süppling­burger Siedlung wurde anders als anderorts nicht überbaut. Dadurch, dass bisher nur zwei Prozent der Siedlung ausge­graben wurden, könnten noch weitere Sensa­tionen an die Oberfläche gelangen. Für Mittel­alter-Archäo­logen weise die gesamte Region ein großes Forschungs­po­ten­zial auf, betont Dr. Monika Bernatzky. „Wir könnten weitere Siedlungen mit weiteren inter­es­santen Handwerken entdecken.“

Doch zurück in das 21. Jahrhun­dert: Anfang 2014 soll das Dach des wieder­rich­teten Süpplin­gen­burger Gruben­haus fertig­ge­stellt sein, anschlie­ßend erfolgt der Innen­ausbau. Geplant ist ein Mitmach-Seminar, in dem die Teilnehmer mittel­al­ter­liche Lehmbau­weisen erlernen. Eine Aktions­fläche im Freien bietet ab Sommer 2014 Schülern und anderen Besucher­gruppen ein paar Mal pro Jahr die Möglich­keit, weitere Facetten des damaligen Handwer­kerle­bens sowie die damaligen Techniken kennen zu lernen. Dr. Bernatzky: „Unser Projekt entwi­ckelt sich nach dem Baukas­ten­prinzip weiter. Wir suchen noch Ehren­amt­liche, die sich bei uns engagieren und helfen. Dies können gerne auch jüngere Menschen sein.“

Zum Weiter­lesen:
Das Kapitel „Vor 1 000 Jahren Weben für Adel, Herzog und Kaiser – Gruben­häuser am Petersteich bei Süpplin­gen­burg. In: Fenster in die Archäo­logie (Hrsg. M. Bernatzky). 300000 Geschichte im Braun­schweiger Land rund um den Elm. Braun­schweig 2013, 145–170.

Das könnte Sie auch interessieren

  • Ein letztes Zupacken im Gruben­haus

    Ein letztes Zupacken im Gruben­haus

    Mit Abschluss der Lehmbau­kurse rückt die Fertig­stel­lung des mittel­al­ter­li­chen Gruben­hauses am Petersteich immer näher. „Ja so warn’s die alten Handwerks­leut‘“ – Das von der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE und der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz geför­derte mittel­al­ter­liche Projekt Gruben­haus bei Süpplin­gen­burg biegt langsam auf die Zielge­rade ein. Und am Ende geht es noch einmal schmud­delig zur Sache.… Weiterlesen

  • Das Leben der Gruben­haus­be­wohner

    Das Leben der Gruben­haus­be­wohner

    Am 27. September 2015 öffnet das mittel­al­ter­liche Gruben­haus am Petersteich im Landkreis Helmstedt. Ein einma­liger Origi­nal­nachbau, der das Leben und das Handwerk vor rund 1000 Jahren eindrucks­voll wider­spie­gelt. Karl der Große. Otto I., Heinrich der Löwe. und natürlich Lothar III. Egal, welchen früheren deutschen Kaiser, König oder Herzog man aufzählt: Über das Leben der Herrscher… Weiterlesen

  • Das Braun­schwei­gi­sche im Blick

    Das Braun­schwei­gi­sche im Blick

    Vom Tasten­taumel bis zu den Schöninger Speeren: In zwei Jahrzehnten förderte die STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE mehr als 1200 Projekte aus den Bereichen Sport, Kunst und Kultur, Forschung, Techno­lo­gie­transfer und Wissen­schaft. Freitag, 29. März 1994 – die Stunde null der „Stiftung der Norddeut­schen Landes­bank Girozen­trale und der Öffent­li­chen Versi­che­rung für Braun­schweig“. In den vergan­genen 20… Weiterlesen