Beethoven in Kanzler­feld – Verein hilft jungen Musikern

Die Pianistin Nicole Rudi aus Wolfsburg und die Mezzosopranistin Nora Maria Eckhardt aus Braunschweig geben vor Eckhardts Elternhaus in Kanzlerfeld ein Konzert. Organisiert wurde es vom Verein Kinderklassik in der Reihe „Digitalflügel auf Reisen“. Foto: Katharina Lohse
Die Pianistin Nicole Rudi aus Wolfsburg und die Mezzosopranistin Nora Maria Eckhardt aus Braunschweig geben vor Eckhardts Elternhaus in Kanzlerfeld ein Konzert. Organisiert wurde es vom Verein Kinderklassik in der Reihe „Digitalflügel auf Reisen“. Foto: Katharina Lohse

Der Braun­schweiger Verein Kinder­klassik ermög­licht jungen Musikern aus der Region auch in Corona-Zeiten Auftritte – und damit Einnahmen.

Ja, etwas schwer durch­zu­kommen war es durchaus. Ein Junge wartete unent­schlossen auf der Breit­scheids­traße in Kanzler­feld, gestoppt von den Menschen, die es sich da mitten auf der Straße auf ihren Garten­stühlen bequem gemacht hatten. Aber ums Durch­kommen ging es am diesem vergan­genen Samstag­mittag auch gar nicht. Es ging ums Innehalten, ums Lauschen, ums Genießen. Die rund 40 Menschen waren gekommen, um die Wolfs­burger Pianistin Nicole Rudi am Digital­flügel und die Braun­schweiger Mezzo­so­pra­nistin Nora Maria Eckhardt zu hören, die an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover studieren.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 18.09.2020 (Bezahl-Artikel)

Ein Konzert mit Beethoven, Mozart, Rachma­ninow und Chopin vor Hausnummer 16 unter einem Himmel fast ohne Wolken, begleitet von dem leisen Rauschen des Windes in den Baumkronen. Selbst der Junge, der es eilig hatte, wartete, bis das eine Lied verklungen war, um sich dann schnell durch die Menge zu schlän­geln. Gehört haben dürfte er die Lieder aber noch einige Zeit weiter auf seinem Weg. Die Klassik erfüllte Kanzler­felds Südwesten.

Corona ist Hindernis für den Nachwuchs

Und das alles, sie ahnen es vielleicht schon, hat mit Corona zu tun. Ilka Schibilak steckt hinter den Konzerten unter freiem Himmel. Der Verein Kinder­klassik, dem sie vorsitzt, hat es sich zur Aufgabe gemacht, bei Kindern und Jugend­li­chen das Interesse an klassi­scher Musik zu wecken und zu fördern und junge Nachwuchs­mu­siker unter anderem durch Auftritts­mög­lich­keiten in ihrer musika­li­schen und künst­le­ri­schen Entwick­lung zu unter­stützen.

Doch seit Mitte März gebe es kaum noch Gelegen­heiten für Auftritte, sagt Schibilak. „Besonders trifft das Nachwuchs­mu­siker, die kurz vor ihrem Abschluss stehen.“ Nicht nur Konzerte, auch abgesagte Wettbe­werbe bremsten die Musiker aus. Wer durch­starten wolle, habe schlechte Karten. „Für die Karriere ist das eine Katastrophe.“ Und im kommenden Jahr könne es genauso weiter­gehen. Zu spüren bekommen habe das auch Nicole Rudi hart, die sich nach erfolg­rei­chen Wettbe­werben für eine China­tournee quali­fi­ziert hatte, die in diesem Jahr statt­finden sollte. Nachge­holt werde diese Tournee nicht, sagt Schibilak. „Da greift keine Versi­che­rung. Sie muss die Wettbe­werbe wieder mitmachen in der Hoffnung, dass alles gefällt.“

Klavier, Cello und Tuba auf dem Tennis-Court

Mit den privaten Konzerten will Schibilak mit ihrem Verein den Musikern nun zumindest eine Einnah­me­mög­lich­keit bieten. Nach dem Auftritt gingen am Samstag zwei Hüte durch die Zuschau­er­reihen. Die Spenden gehen direkt an die Künstler. Unter­stüt­zung erhielt Schibilaks Idee der Open-Air-Konzerte von der Hilfs­or­ga­ni­sa­tion Kiwanis Deutsch­land, die dem Verein den Kauf eines Digital­flü­gels ermög­lichte. „Da der Flügel nur 100 und nicht 450 bis 600 Kilogramm wiegt wie ein normaler Konzert­flügel, lässt er sich gut trans­por­tieren“, sagt Schibilak. So werden die Konzerte erst vergleichs­weise unkom­pli­ziert möglich. Weitere Unter­stüt­zung kam von der Braun­schwei­gi­schen Stiftung.

Acht Konzerte in Braun­schweig und Wolfen­büttel mit jungen Künstlern aus unserer Region sind so schon auf die Beine gestellt worden. Gastgeber waren Privat­per­sonen. Und zwei weitere Konzerte folgen: Am Samstag in einem Garten in Lamme und am Sonntag um 12 Uhr auf dem Tennis­platz 2 des Braun­schweiger Tennis- und Hockey­clubs im Bürger­park. Da wegen der Coronabe­schrän­kungen nur eine einge­schränkte Zahl an Plätzen zur Verfügung steht, ist es nur noch möglich, das Konzert von außerhalb des Vereins­ge­ländes zu hören. „Aber da wird man genauso gut hören wie auf dem Platz“, vermutet Schibilak. Marie Rosa Günter aus Lucklum spielt Klavier, Stanislas Kim Cello und Peter Kanya Tuba.

Menschen erreichen, die nie ins Konzert gehen würden

Gerne würde Schibilak die Reihe „Digital­flügel auf Reisen“ im kommenden Jahr wieder auflegen und hofft auf Förderer, die sie dabei unter­stützen. Und sie hofft natürlich auch auf Menschen, die ihren Garten, ihre Einfahrt, ihren Carport oder ihr Scheune für Konzerte zur Verfügung stellen. „Wir müssen auf Open Air setzen, sonst haben die Künstler keine Chance, Geld zu verdienen.“

Und ganz nebenbei, sagt Schibilak, erreiche man mit diesen Konzerten noch „Menschen, die nie ins klassi­sche Konzert gehen würden“. Eine niedrig­schwel­lige Form der Musik­ver­mitt­lung seien die Konzerte. Und manchmal muss man nicht mal aktiv teilnehmen. „Man kann auch einfach vom Fenster oder dem Balkon aus mit dem Blick auf die Straße zuhören.“ Klassik für alle.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 18.09.2020 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article230446438/Beethoven-in-Kanzlerfeld-Verein-hilft-jungen-Musikern.html (Bezahl-Artikel)

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