Ein ganzer Wald von Brand­pfahlen

Karte von 1615: Nordöstlich der Festung Wolfenbüttel befindet sich „Das Lechel Holtz“. Erkennbar am nordwestlichen Waldrand das „Hohe Gericht“ mit mehreren Galgen, Pfählen und Rädern. Foto: IBR

Im Braun­schweiger Land gab es in der Frühen Neuzeit zahlreiche Hexen­ver­fol­gungen und Hexen­ver­bren­nungen.

Hexen­glauben und Brocken­fahrt (Blocks­berg) in der Walpur­gis­nacht waren seit dem Mittel­alter auch im Braun­schwei­gi­schen in vielfäl­tiger Form Bestand­teil des Volks­glau­bens. In der Nacht zum 1. Mai, um Mitter­nacht, so glaubte man, reiten die Hexen auf Besen, Schweinen oder Ziegen auf den Brocken zu ihrer Zusam­men­kunft mit dem Teufel, um dort ihre Feste zu feiern. Heute feiern viele Menschen ausge­lassen die Walpur­gis­nacht, aber es gibt in dieser Nacht auch Anlass zum histo­ri­schen Erinnern und durchaus auch zum Nachdenken über aktuelles Geschehen an vielen Orten dieser Erde.

Schrecken und Grausam­keit

Gedenk­stein am Lechlumer Holz. Foto IBR

Das Thema „Hexen“ ist nicht nur ein beson­derer Aspekt der Vergan­gen­heits­be­trach­tung, sondern begleitet uns auch im heutigen Alltag vielfach. Von der kindli­chen Ausdrucks­form im Stil des Kinder­buchs „Die kleinen Hexe“, über noch immer existie­rende Hexen­ver­fol­gungen in Afrika oder Südame­rika bis hin zu regio­nalem Marketing, wie im Harz, ist uns das Thema stets gegen­wärtig. Der Volks­glaube hatte jedoch nichts gemein mit touris­ti­scher Event­ver­mark­tung in unserer Zeit. Vielmehr wird völlig verdrängt, was sich in der Frühen Neuzeit mit Hexen­ver­fol­gungen an Schrecken und Grausam­keit verband.

Ohne Zweifel waren die Hexen­pro­zesse eine der schlimmsten von Menschen­hand angerich­teten Katastro­phen der europäi­schen Geschichte. Dabei sind Klischee­vor­stel­lungen und Vorur­teile noch längst nicht überwunden. Über neun Millionen Hexen seien alleine in Deutsch­land verbrannt worden, angeführt von der katho­li­schen Kirche und der Inqui­si­tion und Ausdruck des „finsteren Mittel­al­ters“, so lautet eine nicht auszu­mer­zende vorur­teils­be­la­dene Fehlin­for­ma­tion.

Längst weiß man in der Forschung, dass die Zahl der als Hexen verbrannten Personen in Europa zwischen geschätzten fünfzig- und sechzig­tau­send lag. Dabei waren es keines­wegs nur Frauen, die als Hexen Verfolgt, gefoltert und hinge­richtet wurden, sondern auch Männer, und es gab Gebiete, in denen die Zahl der hinge­rich­teten Männer überwog.

Zweifel­hafter Ruhm der Herzöge

Nicht nur In Norddeutsch­land und besonders im Braun­schweiger Land gab es in der Frühen Neuzeit zahlreiche Hexen­ver­fol­gungen und Hexen­ver­bren­nungen, wobei sich die Herzöge in Wolfen­büttel einen wenig hervor­zu­he­benden Ruhm verschafft haben sollen, ja geradezu berüch­tigt gewesen seien sollen für die Grausam­keiten der Folter.

Das Lechlumer Holz vor Wolfen­büttel soll als Haupt­hin­rich­tungs­stätte der Braun­schweiger Herzöge ein ganzer Wald von Brand­pfahlen gewesen sein und Herzog Heinrich Julius (1564 – 1613) habe Hexen und Zauberer dem Worte gottes­gemäß recht streng bestraft, berichtet seine Leichen­pre­digt. Selbst der als Bücher­freund und Wissen­schafts­för­derer berühmte Herzog August der Jüngere (1579–1666) war ein eifriger Verfechter der Hexen­ver­fol­gung.

Herzog Heinrich Julius hatte dagegen nicht nur Hexen verbrennen lassen, sondern er stand zugleich am Beginn jener neuzeit­li­chen Tradition, bei der die große Zeit der Hexen­ver­fol­gung zum Thema der Literatur wurde. Er war nicht nur aktiv in der Verfol­gung der Hexen, er machte sie zum Thema seiner Dramen, wie etwa in seiner „Susanna“ (1592): „Gott hat befohlen, man soll keine Zauberer leben lassen, sondern mit Feuer verbrennen; denn Zauberer und Zaube­rinnen fallen ab von Gott, verleugnen Gott, verbinden sich mit dem Teufel, buhlen mit ihm und fügen durch des Teufels Hülfe den Leuten Schaden zu.“

Gegner der Hexen­ver­fol­gung

Ebenfalls im Braun­schweiger Land tätig war 1628/29 der durch seine Schriften gegen die Hexen­ver­fol­gung bekannt gewordene Priester und Barock­ly­riker Friedrich von Spee (1591 – 1635). Er wurde jedoch 1629 bei einem Attentat nahe Woltorf lebens­ge­fähr­lich verletzt. Kompro­misslos kämpfte er gegen den Hexenwahn, etwa in seiner 1631 anonym erschie­nenen Schrift „Cautio Crimi­nalis“. Spee erklärte die Hexen­ver­fol­gungen als „die unselige Folge des frommen Eifers Deutsch­lands“.

Postkarte zur Walpur­gis­nacht auf dem Brocken, 1909. Foto: IBR

In den vergan­genen drei Jahrzehnten hat sich die Forschung in zuneh­mendem Maße mit dieser histo­ri­schen Proble­matik beschäf­tigt, gleich­zeitig war und ist sie ein beliebtes Feld der Medien sowie nicht zuletzt der touris­tisch vermark­teten Alltags­kultur unserer Zeit. Auch die Berichte über Satans­kulte, Wunder­heiler und selbst Hexen­pro­zesse der Gegenwart belegen die Aktua­lität des Themas.

Histo­ri­schen Hinter­grund bedenken

Gerade deshalb sollte man sich die Mühe machen, darüber nachzu­denken, welchen histo­ri­schen Hinter­grund die Hexen­feiern in der Walpur­gis­nacht haben und ob es wirklich angebracht ist, wenn auf Wunsch der Touris­mus­ma­nager im Harz die Menschen zu Hexen­feiern in der Walpur­gis­nacht in den Harz strömen und feucht-fröhlich durch die Lande und durch den Harz ziehen.

Derzeit gehen die Vereinten Nationen davon aus, dass in 29 Länder aktuell Hexen­ver­fol­gungen und Hexen­hin­rich­tungen statt­finden. Am heftigsten ist dies offenbar in Papua-Neuguinea der Fall und die Vereinten Nationen schätzen, dass Jahr für Jahr rund 200 Menschen als Hexen in Papua-Neuguinea getötet werden.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

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