Hunde­verbot auf Bürger­steigen und in Lokalen

Hausierer mit Hundegespann. Das Foto von Heinrich Zille trägt den Titel „Ungewohnter Blick auf Gewohntes“. Foto: gemeinfrei
Hausierer mit Hundegespann. Das Foto von Heinrich Zille trägt den Titel „Ungewohnter Blick auf Gewohntes“. Foto: gemeinfrei

Geschichte(n) aus dem Braun­schwei­gi­schen, Folge 35:  Hunde­steuer wurde in Braun­schweig erstmals 1853 gesetz­lich verordnet.

Die Geschichte der Beziehung von Hund und Mensch ist eine Geschichte, die bis in die Eiszeit zurück­reicht und die Entwick­lung des Menschen über Jahrtau­sende hinweg in wechselnder Form begleitet hat. Viele tausend Jahre lebten dabei die nomadi­sie­renden Menschen und Wölfe mitein­ander, ohne dass eine Domes­ti­ka­tion des Wolfes zum Haushund eintrat, jedoch mit der Sesshaf­tig­keit spätes­tens seit der Jungstein­zeit hatte sich dies geändert. Knochen­funde bei archäo­lo­gi­schen Ausgra­bungen auch im Braun­schweiger Raum belegen, dass Hunde zum festen Bestand­teil der bäuer­li­chen Lebens­ge­mein­schaften gehörten. Die Tiere wurden als Jagd‑, Hüte- und Hofhunde genutzt.

Karren­hunde prägten Straßen­bild

Im Mittel­alter gab es in der Hunde­hal­tung erheb­liche Standes­un­ter­schiede. Es wurde streng zwischen adligen Fürsten­tieren, vor allen Dingen reinras­sigen Jagdhunden, und den unehren­haften Bauern­hunden unter­schieden. In den Berichten aus spätmit­tel­al­ter­li­chen und frühneu­zeit­li­chen Städten, so auch etwa Braun­schweig, findet sich immer wieder der Hinweis darauf, dass sich eine große Anzahl von Hunden in der Stadt aufhielt und die Straßen bevöl­kerte. Dabei ging es vor allem um Arbeits­hunde. Insbe­son­dere in der zweiten Hälfte des 18., und im 19. Jahrhun­dert zählten sogenannte Karren­hunde zum Straßen­bild. Damit verbunden waren auch proble­ma­ti­sche Folgen, wie etwa Übertra­gung von Seuchen, Tollwut­ge­fahr, Angriffe auf Menschen.

Um diese Gefähr­dungen zu verrin­gern und vor allen Dingen als seuchen­po­li­zei­liche Maßnahme zur Verrin­ge­rung der Hundezahl wurde die Einfüh­rung der Hunde­steuer erfunden. Die Anfänge der Hunde­steuer in Braun­schweig datieren aus dem Jahr 1853.  Was zunächst eine polizei­liche Maßnahme war wurde später, etwa mit dem Hunde­steu­er­ge­setz von 1878, zu einer allge­meinen Gebrauchs­steuer, da die Hunde Anlass zu höherem städti­schen Reini­gungs­auf­wand boten. In der Weimarer Republik wurde die Hunde­steuer den Gemeinden als örtliche Abgabe zuerkannt, wie sie auch im Grund­ge­setz 1949 festge­halten worden ist.

Häufige Ausein­an­der­set­zungen

Wer die Geschichte der Hunde­hal­tung und der städti­schen Obrigkeit in Braun­schweig verfolgt, findet in fast jedem Jahrhun­dert seit dem Mittel­alter Hinweise auf damit in Zusam­men­hang stehende Ausein­an­der­set­zungen. War es im Mittel­alter mehr eine gewerb­liche Frage und dienten die Hunde ganz prakti­schen Zwecken der Arbeit und der Sicher­heit, waren sie im 16. und 17. Jahrhun­dert teilweise in den führenden Klassen Luxus­ob­jekte und wurden gegen Ende des 18. Jahrhun­derts für lange Zeit auch als Karren­hunde ein Wirtschafts­faktor. Wer Hunde zur Bewachung brauchte oder zur Ausübung seines Gewerbes, blieb von der Hunde­steuer im 19. Jahrhun­dert befreit. In den Unter­schichten, bei denen die Hunde als Haustiere gehalten wurden, führten soziale Nöte zu Unruhen, da man oft nicht in der Lage war, die mit der Hunde­steuer oder vergleich­baren Abgaben gefor­derten Gelder aufzu­bringen.

Mit dem Statut vom 14. Dezember 1853 und den folgenden Vorschriften vom 21. Juli 1869 sowie dem Statut vom 31. März 1878 wurden grund­sätz­liche Regelungen für das Halten von Hunden in Braun­schweig aufge­stellt. So musste jeder Hunde­halter bis zum 15. November des Jahres für das nächste Kalen­der­jahr seine Hunde bei der Stadt anmelden. Mit der Anmel­de­be­schei­ni­gung wurde eine Marke ausge­geben. 1878 war dies für einen Hund jährlich zehn Mark. Befreit waren Hunde­halter, wenn ihre Tiere für das Ausüben des Gewerbes unabdingbar waren oder der Bewachung von Haus und Grund­stück dienten.

Tierwohl schon im Blick

Waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­derts viele der Eingaben bei der Stadt Braun­schweig deutlich darauf gerichtet, die sozialen Schwie­rig­keiten der Steuer­pflich­tigen zu beklagen, so häufen sich seit der Mitte des 19. Jahrhun­derts vor allen Dingen Klagen, Beschwerden und auch Eingaben sowie Ausein­an­der­set­zungen hinsicht­lich des Umgangs mit den Hunden. Zunehmend wurde sich darüber beschwert, dass Hunde als Zugtiere benutzt wurden, ohne dass die strengen Auflagen, die an eine Geneh­mi­gung für diese Arbeiten durch Hunde gebunden waren, einge­halten worden sind. Die Einhal­tung war der Überprü­fung durch die Polizei unter­legen, heute würde man von einem Vergehen in dieser Hinsicht als Ordnungs­wid­rig­keit sprechen.

Im Sinne eines damals heftig geführten Kampfes um eine bessere Haltung und zum Schutz der Hunde erließ der Prinz­re­gent Albrecht, Prinz von Preußen, 1889 mehrere Gesetze, die deutlich machten, dass die Hunde geschützt werden sollten und nur in streng bemes­senen Ausnahmen und mit schrift­li­cher polizei­li­cher Geneh­mi­gung als Arbeits­tiere genutzt werden durften.

Der Magistrat und die Ratsver­samm­lung in Braun­schweig erließen 1878 gegen die Verbrei­tung von Tollwut und Gefähr­dung der Menschen Maulkorb- und Leinen­zwang. Die Leine durfte höchsten 50 Zenti­meter lang sein. In der Verord­nung wurde generell verboten, dass Hunde in Braun­schweig auf öffent­li­chen Straßen, Wegen, Plätzen und Anlagen frei umher­laufen dürften. Auf den Bürger­steigen oder Prome­na­den­wegen, in öffent­li­chen Wirtschaften, Garten­wirt­schaften und Kondi­to­reien sowie Cafés oder sonstigen Lokalen, zu denen Jedermann Zutritt hatte, durften Hunde überhaupt nicht geführt werden.

Hunde­fänger unterwegs

Darüber hinaus wurde genau geregelt, dass Besitzer von Hunden, „welche durch Bellen oder Heulen während der Nachtzeit die Nachbar­schaft beläs­tigen, verpflichtet waren, auf Anordnung der herzog­li­chen Polizei­di­rek­tion diese Beläs­ti­gung abzustellen“ und auch bei Auftreten von Tollwut alle Hunde einge­sperrt werden mussten und darüber hinaus frei umher­lau­fende bissige Hunde einge­fangen und getötet werden müssten.

Man sieht, dass das Problem von Leinen­zwang und Maulkorb­ver­ord­nung in Braun­schweig eine lange und streng gehand­habte Tradition hat und keines­wegs erst in jüngster Zeit aufgrund der Vorfälle mit den sogenannten Kampf­hunden auftritt. Auffal­lend ist, dass die Ausein­an­der­set­zung um die richtige Haltung von Hunden besonders zu dem Zeitpunkt begonnen hat, als zunehmend die Hunde nicht mehr als Arbeits­tiere, sondern verstärkt als Haustiere und in gehobenen Kreisen sowie beim Adel als Luxus­tiere gehalten wurden. Und Corona hat die Bedeutung und wie zu hoffen die Erkenntnis über die Bedeutung von Haustieren als Freunde des Menschen, insbe­son­dere für Hunde, noch weiter erhöht.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

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