Konrad Koch ist nicht gleich Konrad Koch

Der Grabstein von Konrad Koch auf dem St. Petri Friedhof. Foto: Thomas Ostwald
Der Grabstein von Konrad Koch auf dem St. Petri Friedhof. Foto: Thomas Ostwald

Braun­schweigs skurrile Ecken und andere Merkwür­dig­keiten, Folge 39: das „falsche“ Grab auf dem St. Petri Fiedhof.

Der St. Petri Friedhof  an der Goslar­schen Straße zählt zu den ältesten Fried­höfen Braun­schweigs im Stadt­ge­biet. Auf ihm ruhen einige recht berühmte Braun­schweiger wie Wilhelm Bracke (1842–1880), Politiker und Mitbe­gründer der Sozial­de­mo­kra­ti­schen Arbei­ter­partei, oder auch Schul­in­spektor Gottfried Friedrich Tunica (1795–1856). Auf den Gedenk­ta­feln an den beiden Eingängen zum Friedhof  wird auch ein gewisser Prof. Konrad Koch geführt. Er lebte von 1810 bis 1884. Hieß so nicht der Fußball­pio­nier? Auf den Gedenk­ta­feln findet sich kein erläu­ternder Hinweis dazu. Es steht nur Lehrer am Gymnasium Martino-Katha­ri­neum geschrieben.

Immer wieder lassen sich Hinweise – insbe­son­dere im Internet – darauf finden, dass es sich bei dem Grab um jenes von dem Konrad Koch handelt, der Deutsch­land die Fußball-Regeln bescherte, so hierzu­lande den Siegeszug der schönsten Neben­sache der Welt einlei­tete und zu einem der berühm­testen Söhne der Stadt wurde. Aktuell ist sein Name ja wieder in aller Munde, weil der renovierte City-Point in Konrad-Koch-Quartier umbenannt werden soll. Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob es nicht angemes­sener wäre, zum Beispiel eine Straße oder einen Platz  in Braun­schweigs innen­stadt­nahen, geplanten Neubau­ge­bieten nach dem Koch zu benennen.

Aber zurück zum Thema: Nur durch die Jahres­zahlen von Geburts- und Todestag lässt sich aufklären, dass es sich bei dem Grab auf dem St. Petri Friedhof um das des Vaters vom Fußball­pio­nier Konrad Koch handelt. Johann Conrad Koch war ebenfalls Lehrer an der gleichen Schule, und die Vornamen wurden vermut­lich verwendet, wie es den Namens­trä­gern gefiel. „Der” Koch hieß eigent­lich auch vollständig Wilhelm Carl Johann Konrad Koch und nannte sich stets nur „Konrad Koch”.

Dass einem „normalen“ Lehrer die Ehre zu Teil wurde, auf Hinweis­ta­feln mehr als 130 Jahre nach seinem Ableben erwähnt zu werden, ist schon ein bisschen skurril. Nicht ausge­schlossen scheint, dass auch bei den Initia­toren der Hinweis­tafel etwas Verwir­rung ob der Namens­gleich­heit herrschte. Sei es drum. Der etwas bemooste Grabstein Nr. 4 gehört also Konrad Koch sen. Konrad Koch jr. wurde auf dem Haupt­friedhof in Braun­schweig beigesetzt. Sein Grab ist schon vor vielen Jahren einge­ebnet worden.

Für skurril halte ich übrigens auch die Debatte, ob der erste Fußball, den Konrad Kochs Kollege, Turnlehrer August Hermann, nach Braun­schweig holte, nun rund war oder einem Rugby-Ei glich. Alle histo­ri­schen Bilder und Zeich­nungen zum Thema Fußball zeigen einen runden Ball. Es ist also nicht zu vermuten, dass August Hermann keinen runden, sondern einen längli­chen Lederball in unsere Stadt holte. Im Heimat­mu­seum Lehre wird an den Turnlehrer August Hermann erinnert. Dort ist  ein sehr alter Lederball bewundern, der, wie auch die frühen Handbälle, Längs­nähte aufweist und rund ist. Das gute Stück in Lehre ist übrigens sehr schwer und „steinhart“ – Leder eben, das häufig benutzt und nass wurde.….

Es ist übrigens das Verdienst von Sport­his­to­riker Kurt Hoffmeister, den Fußball­pio­nier aus der Verges­sen­heit zu holen, und auf ihn wie auf den Turnlehrer August Hermann aufmerksam zu machen. Er forschte und legte mit seinen mit seinen Schriften bereits 1985 und 1986 den Grund­stein für die histo­ri­sche Aufar­bei­tung des bundes­weit relevanten Themas, die ja auch bereits in dem Spielfilm „Der ganz große Traum“ mit Daniel Brühl in der Haupt­rolle gipfelte. Hoffmeister verdanken wir auch die Aufstel­lung der Gedenk­tafel am damaligen ersten Spielfeld am „Exer”, heute beim Natur­his­to­ri­schen Museum / Haus der Wissen­schaft. Von ihm  stammen auch die sport­his­to­ri­schen Standard­werke „Zeitreise durch die Braun­schweiger Sport­ge­schichte“ (2001) und „150 Jahre Sport in Braun­schweig“ (1982).

Fakten

  • Am 29. September 1874 fand in Braun­schweig das erste Fußball­spiel deutscher Mannschaften statt. Die Lehrer Konrad Koch und August Hermann ließen Schüler des Martino-Katha­ri­neums gegen­ein­ander spielen. 1875 veröf­fent­lichte Konrad Koch das erste deutsche Regelwerk für Fußball, immerhin schon mit vier Abseits­re­geln. Der Titel lautete „Fußball. Regeln des Fußball-Vereins der mittleren Classen des Martino-Catha­ri­neums zu Braun­schweig”

 

  • Die Geschichte des Fußballs ist tatsäch­lich uralt – schon in China spielte man ein Spiel mit einem Ball etwa im 3. Jahrtau­send vor Christi Geburt. Es gab zwei Mannschaften mit jeweils zehn Spielern, die den Ball in Tore mit einem Netz treten mussten. Der Ball war mit Federn gefüllt. Fußball­ähn­liche Spiele soll es dann auch im 12. Jahrhun­dert in Frank­reich und England gegeben haben. In der Renais­sance schließ­lich spielte man in Florenz eine Art Rugby. Als eigent­li­ches Mutter­land des Fußballs gilt England. Dort wurde Anfang des 19. Jahrhun­derts ein sehr ruppiges Spiel auf den Straßen gespielt wurde.

 

  • Konrad Koch und August Hermann waren seit 1869 Lehrer am Braun­schweiger Gymnasium Martino-Katha­ri­neum. Hermann bildete sich zum Turnlehrer weiter und begann, mit neuen Ideen frischen Wind in die Turnerei an der Schule zu bringen. Statt langwei­ligem Riegen­turnen, Seilklet­tern und Keulen­schwingen bemühte er sich um Spiele, die den Schülern Spaß machten. Friedrich Reck hatte als Militär­arzt in England ein Fußball­spiel erlebt und berich­tete Koch und Hermann davon. Schließ­lich war es der Turnlehrer Hermann, der durch seine Kontakte nach England einen Lederball besorgte.

 

  • Andere Lehrer wetterten gegen die „Englische Krankheit” und die „Fußlüm­melei”. Aber Koch und Hermann ließen sich davon nicht entmu­tigen. Während Hermann ständig auf der Suche nach weiteren, inter­es­santen Spielen war und u.a. auch Basket­ball als „Korbball” einführte, schrieb der Philologe Koch zahlreiche Schriften und Aufsätze zum Thema Fußball.

 

  • Das Regelheft von Konrad Koch blieb im Famili­en­be­sitz erhalten – bislang das einzige, bekannte Exemplar. Es enthält handschrift­liche Anmer­kungen, die insbe­son­dere für die spätere Form des Spieles, „Fußball ohne Ballauf­nahme” Verwen­dung fanden.

 

  • Übrigens: Der älteste Fußball­klub der Welt ist der FC Sheffield, gegründet am 24. Oktober 1857 von einem Weinhändler und einem Firmen­di­rektor…

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