Plan in Braun­schweig: Kein junger Mensch verlässt die Schule ohne Abschluss

Engagiert für das Projekt „Löwenschlau“: Andrea Naumann, Erika Borek und Ursula Hellert. Foto: Henning Noske
Engagiert für das Projekt „Löwenschlau“: Andrea Naumann, Erika Borek und Ursula Hellert. Foto: Henning Noske

Richard-Borek-Stiftung und New Yorker Stiftung. Friedrich Knapp fördern das Projekt „Löwen­schlau“. Es bringt Diagnostik und Therapie bei Leseschwäche von Klasse 1 an in die Grund­schule.

Es gibt vergleichs­weise wenig, worüber in der deutschen Bildungs­po­litik mal Einigkeit herrscht. Wenn überhaupt etwas, dann ist es der Zusam­men­hang zwischen einem fehlenden Schul­ab­schluss und dauerhaft geschei­terten Lebens­läufen. Auch der Stellen­wert der Lesekom­pe­tenz ist unbestritten: Wer Texte nicht zu erfassen vermag, hat massive Probleme damit, erfolg­reich eine Schule zu absol­vieren.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 30.01.2020 (Bezahl-Artikel)

Und so beginnt dieses Gespräch mit Ursula Hellert und Erika Borek schon gleich mit schlechten Nachrichten: Grob gerechnet jeder 20. verlässt in Deutsch­land die Schule ohne Abschluss – auch in Braun­schweig. Mehr noch: Auf einer bis 8 reichenden Lesekom­pe­tenz-Skala schafft bei uns laut Pisa-Studie jeder fünfte Schüler lediglich die Stufen 1 und 2. Rechnet man die Gymnasien heraus, ist es jeder dritte.

Lässt man sich die Stufen 1 und 2 der Lesekom­pe­tenz-Skala einmal übersetzen, so bedeuten sie: Von diesen Schülern können lediglich einfache, kurze Sätze gelesen und aufge­nommen werden, Sätze, die lediglich eine einzige Infor­ma­tion enthalten. Was darüber hinaus­geht, überfor­dert diese Schüler.

Das ist die Ausgangs­si­tua­tion. Wer komple­xere Texte nicht lesen und ihren Sinn nicht erfassen kann, scheitert beim Bildungs­er­werb, weiß Ursula Hellert. Und Erika Borek macht klar, dass die Angriffs­punkte also früh liegen müssen, in der Grund­schule, gleich in Klasse 1, gleich, nachdem da alle Buchstaben drange­kommen sind.

Warum sitzen wir hier? Es gilt, über eine bemer­kens­werte Initia­tive zu berichten, eine, für die die Richard Borek Stiftung und die New Yorker Stiftung Friedrich Knapp in den nächsten fünf Jahren gemeinsam wohl rund eine Million Euro in die Hand nehmen wollen.

„Die Vision lautet: In Braun­schweig erreicht künftig jeder junge Mensch einen Schul­ab­schluss“, sagt Erika Borek. Mit Ursula Hellert, der früheren Gesamt­lei­terin der CJD-Schulen, jetzt im Ruhestand, arbeitet sie schon sehr lange zusammen. Diese wiederum koope­riert eng mit Friedrich Knapp (New Yorker). Jetzt kann sie ein Konzept umsetzen, das ihr schon lange vorschwebt und bei dem Fachleute mit der Zunge schnalzen: Von Klasse 1 Grund­schule an gibt es Diagnostik und Therapie in Sachen Leseschwäche, aber auch beim Rechnen und Schreiben.

Man muss sich das so vorstellen: Die Schwäche ist ja nur das Symptom, nicht die Ursache. Zu den Ursachen gehört es zum Beispiel, wenn Kinder sich nicht im Raum orien­tieren, Bilder nicht in Teile zerlegen und keine Unter­schiede in Gestalten erkennen können.

Gleiches gilt für die Fähigkeit, Reihen­folgen zu erkennen oder Gehörtes in einzelne Teile zu zerlegen. Am Ende von Ursache und Wirkung, nur ein Beispiel, wird es dann schwierig, beim Lesen Wortzwi­schen­räume zu erkennen.

„Löwen­schlau“ heißt das neue Projekt – und wie geht es? Bis Ende März können sich zwei Braun­schweiger Grund­schulen mit allen 1. Klassen bei Ursula Hellert und Andrea Naumann von der Borek Stiftung melden. Die Schule koope­riert, auch in Abstim­mung mit Stadt und Schul­be­hörde, Lehrer werden einge­bunden, Zustim­mung der Eltern ist notwendig. Kinder, die gemeinsam in den Blick genommen werden, erhalten Förderung bis hin zu indivi­du­ellen Einzel­fall­hilfen.

Hierfür arbeitet das Projekt „Löwen­schlau“ mit Fachleuten zusammen, beschafft notwen­dige Materia­lien, koope­riert mit Insti­tu­tionen, stellt zwei haupt­amt­liche Pädagogen als Koordi­na­toren ein, sucht jetzt auch ehren­amt­liche Paten und bildet sie aus. Wichtig ist die Evalua­tion (Auswer­tung und Überprü­fung) – angestrebt wird hier eine Zusam­men­ar­beit mit der TU.

Projekt­lei­terin Ursula Hellert orien­tiert sich bei Diagnostik und Therapie am Konzept der Wiener Psycho­login und Psycho­the­ra­peutin Brigitte Sindelar. Grund­schulen in dieser spezi­ellen Weise konse­quent von Klasse 1 bis 4 zu begleiten, wäre wohl Neuland auch weit über Braun­schweig hinaus. „Es kann ein Modell sein. Am Ende wollen wir sehen und messen, wie groß der Erfolg ist“, sagt sie.

Kinder stark zu machen, damit sie besser durch die Schule kommen, Schwie­rig­keiten überwinden und später den Abschluss schaffen – für Erika Borek ein Herzens­an­liegen. „Das ist kein Experi­ment, nicht noch ein Versuch von vielen“, sagt sie, „das ist konkrete Hilfe“.

Kontakt und Infor­ma­tionen:

Tel. (05 31) 2 05 17 17
E‑Mail: info@loewenschlau.de

www.loewenschlau.de

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 30.01.2020 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article228291281/Plan-in-Braunschweig-Kein-junger-Mensch-ohne-Schulabschluss.html (Bezahl-Artikel)

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