Startseite Heimat & Identität Reich, protzig – aber witzig

Reich, protzig – aber witzig

Das Huneborstelsche Haus ist reicht verziert mit Figurenfriesen. Diese beiden heißen Gläubiger (links) und Schuldner. Foto: Peter Sierigk
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Braunschweig skurril: Comics aus dem 16. Jahrhundert an einem Fachwerkhaus auf dem Burgplatz.

Zwischen dem von Veltheim’schen Fachwerkhaus aus dem Jahr 1573 und dem Deutschen Haus befindet sich ein weiteres Fachwerkhaus am Burgplatz, das von der Handwerkskammer benutzt wird. Es ist das Huneborstelsche Haus. Es fällt durch seine mit geschnitzten Figurenfriesen und Knaggen aus der Werkstatt von Simon Stappen auf und bietet nicht zuletzt deswegen Anlass für eine längere Betrachtung.

Auch wenn Leute seinerzeit nicht lesen konnten, diese „Bildergeschichten“ verstand damals jeder. Es waren gewissermaßen Comics für das 16. Jahrhundert. Zu entdecken ist auch über der Heiligen ganz links in der Ecke über dieser Knaggen-Reihe ein sitzender Affe, der einen Dudelsack spielt. Dort stand früher sinngemäß der Spruch „Ich Affe steh und gaffe – derweil ich muß stehn, kannst du weitergehn.“ Damit meinte der Hausherr, dass er täglich sein Einerlei bewältigen musste, gewissermaßen täglich den Dudelsack spielen, aber die Zuschauer konnten lachen und weitergehen.

Der Kaufmann Friedrich Huneborstel hat offenbar Humor. Er war Ratsherr und Kämmerer im Weichbild Sack. Zwischen 1524 und 1528 entstand sein prächtiges Fachwerkhaus und stand als Sack Nr. 5 dort, wo heute der City Point beheimatet ist. Zum Ende des 19. Jahrhunderts sollte das Fachwerkhaus tatsächlich als unmodern abgerissen werden. Aber glücklicherweise konnte die Stadt Braunschweig die Schmuckteile der Fassade und den Dachstuhl samt Tretkran retten und erwerben.

1902 wurden die Fassade und der Dachstuhl samt Luken und Winde vor die Fassade eines Neubaus gehängt. Auch hier hatte Stadtbaurat Ludwig Winter die Arbeiten überwacht und dafür gesorgt, dass diese einmalige Fassade erhalten blieb.

Rund vier Jahrhunderte früher wollte Huneborstel als reicher Patrizier natürlich die Leute mit seinem aufwändig verzierten Haus beeindrucken. Bei näherer Betrachtung gibt es vieles zu entdecken, so z.B. in der ersten Reihe mit den vergitterten Fenstern. Die Figur in der Mitte ist durch die Mütze mit Eselsohren unschwer als Narr zu erkennen. Sie trägt unter dem Umhang ein Lamm auf dem Arm und steht für die Aussage: „Hütet Euch vor den Narren – sie wollen nur ihr Schäfchen in’s Trockene bringen!“ Andere Figuren sind Symbole für Sternkreiszeichen, aber überall kann man weitere Geschichten erkennen, die ein Mensch des 16. Jahrhunderts sofort entdeckte.

Unser Foto zeigt zwei Figuren an Knaggen links neben der Ladeluke ebenfalls in der ersten Reihe mit vergitterten Fenstern. Diese beiden Figuren heißen „Schuldner und Gläubiger“. Der Schuldner steht rechts und grüßt seinen Gläubiger links – einen vornehm gekleideten Kaufmann mit erkennbarer Brille – fröhlich winkend. Es sieht so aus, als wolle er signalisieren: „Mach dir nur keine Gedanken, dein Geld bekommst du!“ Dagegen spricht jedoch seine ganze Haltung, und die linke Hand hält er erkennbar auf die Tasche, seltsamerweise mit einem Gegenstand, der eine weitere Kopfbedeckung sein könnte. Er hält sich also die Tasche deutlich sichtbar zu, dazu mit der linken Hand.

Diese Abwehrbewegung mit der „unsauberen“ linken Hand ist ein deutliches „Götz“-Zitat – oder anders ausgedrückt: „In diesem Leben keinen Pfennig von mir!“ Die Haltung des Kaufmanns drückt aus, dass er diese Botschaft sofort begriffen hat. Genaues Hinsehen lohnt sich, wenn der Weg demnächst wieder über den Burgplatz und vorbei am Huneborstelsches Haus führt. Viel Spaß dabei.

Fotos

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