Sinnbild eines einstigen Macht­zen­trums

Der Gandersheimer Dom ist Schauplatz der Domfestspiele. Foto:Alamy

Die heraus­ra­genden Kirchen im Braun­schweiger Land, Teil 10: der Ganders­heimer Dom

Die Kulisse könnte präch­tiger nicht sein. Der Westbau der Ganders­heimer Stifts­kirche dient bereits seit 1959 als Schau­platz der Domfest­spiele. Das Freilicht­theater ist längst zu einem Marken­zei­chen des westlich des Harzes gelegenen Städt­chens geworden und trägt heute maßgeb­lich zur allge­meinen Bekannt­heit bei. Im Mittel­alter war Ganders­heim dank des Adels­ge­schlechtes der Liudol­finger ein deutsches Macht­zen­trum. Die Auffüh­rungen vor dem romani­schen Baudenkmal, das an diese Zeiten erinnert, inmitten der histo­ri­schen Altstadt locken pro Spielzeit von Mitte Juni bis Mitte August bis zu 60.000 Zuschauer an.

Die Domfest­spiele haben ihren Ursprung in der Feier zum 1100-jährigen Gründungs­ju­bi­läum des Stiftes Ganders­heim. Damals, 1952, gab es dort die erste Auffüh­rung unter freiem Himmel. 1959 fanden schließ­lich die ersten Domfest­spiele statt. Gespielt wurde der „Jedermann“ von Hugo von Hofmanns­thal. Das mittler­weile größte Freilicht­theater Nieder­sach­sens gehört zu den tradi­ti­ons­reichsten Festspielen Deutsch­lands.

Gebeine der Päpste

Der Westbau des Ganders­heimer Doms mit seinen beiden Türmen. Foto: Alamy

Mit dem Bau des Schau­platzes, der Stifts­kirche St. Anasta­sius und St. Innocen­tius, wurde im Jahr 856 begonnen. Herzog Liudolf von Sachsen und seine Frau Oda hatten zuvor in Bruns­hausen ein Kanonis­sen­stift gegründet, nachdem sie 845/46 von Papst Sergius II. die Gebeine der Päpste Anasta­sius I. und Innocen­tius I. als Reliquien erhalten hatten. Sie befinden sich noch heute in der Krypta des Doms. Die Stifts­kirche wurde 881 geweiht.

Reichs­frei, nur Papst und Kaiser verpflichtet, entwi­ckelte sich das Stift zu einem religiös wie politisch bedeu­tenden Zentrum, das auch Markt‑, Münz- und Zollrecht besaß. Der Enkel des Stift­grün­ders Liudolf wurde als Heinrich I. 919 zum König des Ostfran­ken­landes gewählt, sein Sohn Otto I. wurde gar zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt (962). Bis zu seiner Auflösung im Jahre 1810 prägte das Stift Ganders­heim Stadt und Region.

Das jetzige Erschei­nungs­bild der romani­schen Basilika mit zweitür­migem Westquerbau stammt vorwie­gend aus der Mitte des 12. Jahrhun­derts, die gotischen Seiten­ka­pellen aus dem 14. und 15. Jahrhun­dert. Besondere Kunst­werke sind unter anderem das Stifter­bildnis des Sachsen­her­zogs Liudolf (13. Jahrhun­dert), der Marmor­sar­ko­phag der Fürst­äb­tissin Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen (18. Jahrhun­dert) und das Roswitha-Fenster (1973).

Berühmte Tochter der Stadt

Im Rahmen der Initia­tive frauen­ORTE Nieder­sachsen ließ der Landes­frau­enrat Roswitha von Ganders­heim besondere Aufmerk­sam­keit zuteil­werden. Roswitha war Kanonisse des Stifts. Genaue Lebens­daten von ihr existieren aller­dings nicht. Sie lebte vermut­lich von um 930 bis um 980 und gilt als erste deutsche Dichterin. Bekannt sind ihre Legenden, Dramen und Lobge­dichte auf Kaiser Otto I. Aus ihren Texten stammen alle Infor­ma­tionen über ihr Leben. Bad Ganders­heim wird auch die „Roswi­t­ha­stadt“ genannt. Sie widmet ihrer berühmten Tochter jährlich Preise wie den Roswitha-Litera­tur­preis oder den Roswitha-Ring für die beste Schau­spie­lerin der Domfest­spiele.

Darstel­lung Roswitha von Ganders­heim. Foto: gemein­frei

Kontakt:
Ganders­heimer Stifts­kirche
Evange­lisch-luthe­ri­sche Stifts­kir­chen­ge­meinde
Stifts­frei­heit 1
37581 Bad Ganders­heim

Telefon: 05382- 6038877
E‑Mail: info@stiftskirchengemeinde.de
Webseite: www.stiftskirchengemeinde.de

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