Vom Konsu­mieren zum Produ­zieren

Spiel mit Licht: grell, grün, gruselig. Beim Lichttechnik Workshop. Foto: Moritz Scheuermann
Spiel mit Licht: grell, grün, gruselig. Beim Lichttechnik Workshop. Foto: Moritz Scheuermann

Handbuch für Lehrer zum Theater­pro­jekt „Ich/Selbst“ ist kostenlos erhält­lich.

Zoooooosch! Im Chemie­raum geht ein Kolben zu Bruch. Giftige Suppe ergießt sich über den Boden. Die Alarm­si­rene schrillt. Bloß nicht berühren! Zu spät. Ob das gut ausgeht …? Leider nein. Denn einer mutiert zum Zombie … Uuuuarrrgggh!

Keine Sorge. Alles nur Theater. Ersonnen von Schülern der Haupt­schule Pesta­loz­zi­straße. In den vergan­genen zwei Jahren haben 56 Schüler an dem theater­päd­ago­gi­schen Koope­ra­ti­ons­pro­jekt „Ich/Selbst“ zwischen dem Theater­päd­ago­gi­schen Zentrum für Braun­schweig und die Region (TPZ), dem LOT-Theater Braun­schweig und der Pesta­loz­zi­schule teilge­nommen. „Die Idee war, die Schüler dort abzuholen, wo sie stehen. Auf ihre Inter­essen und Neigungen einzu­gehen. Wenn einer partout nicht auf die Bühne wollte – okay! Dann hat er eben bei der Bühnen­technik mitge­macht. Oder im Tonstudio, der Maske, dem Bühnen­bild. Die Möglich­keiten rund um das, was wir Theater nennen, wurden da vollends ausge­schöpft“, erzählt Projekt­leiter Moritz Scheu­er­mann vom TPZ.

So auch bei der Zombie­ge­schichte. Zunächst spielte ein Teil der Schüler die monströsen Szenen wie beim klassi­schen Theater, andere machten davon Fotos. Diese wiederum dienten als Vorlage für Zeich­nungen, die sich, aufgelegt auf einen Overhead­pro­jektor, zu einem munteren Comic­strip reihten. Geräusch­ku­lisse vom Tonband inklusive.

So ein Projekt ist ja immer auch ein Wagnis, da kann man theater­päd­ago­gisch sattel­fest drangehen und vorab zig Konzepte aushecken, aber ob es funktio­niert, ist nicht kalku­lierbar. Zumal mit so einer hetero­genen Gruppe wie Schülern, die gern mal im Clinch mit sich, der Pubertät, ihren Eltern, ihrer ersten großen Liebe und dem, was die Jugend noch so zu bieten hat, stecken. Aber: „Das Projekt hat wunderbar funktio­niert“, ist Scheu­er­mann immer noch ganz begeis­tert von der kreativen Arbeit der letzten zwei Jahre.

Und weil es so gut geklappt hat und man andere Pädagogen daran teilhaben lassen wollte, ist nun ein Handbuch mit Anregungen und Tipps für den eigenen Unter­richt zu diesem Theater­pro­jekt erschienen. Es ist eine gut gestal­tete, reich bebil­derte und mit klaren Texten versehene Anleitung zum Selber-Theatern. Es soll Lehrern aufzeigen, wie sie Übungen und Proben­ein­heiten des Projekts „Ich/Selbst“ in den Unter­richt integrieren können. Auflage: 300 Stück. Kostenlos im TPZ, Stein­straße 3, in Braun­schweig erhält­lich.

Einen Schüler hat dieses Projekt regel­recht „getroffen“. Er werde auf jeden Fall Schau­spieler, erzählte eine Lehrerin bei der Präsen­ta­tion des Handbuchs. Egal wie. Und: Natürlich ein berühmter. Warum nicht, was wäre eine Jugend ohne Träume! Ziel des Projekts ist freilich nicht unbedingt, die Kinder für den Beruf des Schau­spie­lers zu entflammen.

Angelika Beinroth, Leiterin der Grund- und Haupt­schule Pesta­loz­zi­straße, hat vielmehr festge­stellt, wie sehr die Sozial­kom­pe­tenz durch dieses Projekt geschult worden sei. „Hier lernen die Schüler, sich zu präsen­tieren und zu artiku­lieren, das hilft ihnen vielleicht im späteren Berufs­leben, wenn sie vorm Chef stehen.“ Begeis­tert war sie auch davon, dass die Schüler in diesem Theater­pro­jekt dort abgeholt worden sind, wo ihre Talente zart keimen oder gar blühen. „Schule läuft ja leider eher immer so, dass wir den Schülern ihre Defizite aufzeigen müssen. Hier aber wurde nach ihren Stärken gesucht und die wurden ausgebaut.“

Noch ein schöner Effekt des Projekts: Es macht aktiv! So ließen sich die Schüler der Zombie­ge­schichte zwar von der Serie „The walking dead“ inspi­rieren. Saßen sie sonst aber eher passiv auf dem Sofa vor der Glotze, machten sie nun einfach selbst ihre Zombie-Story. Scheu­er­mann bringt das so auf den Punkt: „Vom Konsu­mieren zum Produ­zieren.“ Besser, findet der Projekt­leiter, geht es eigent­lich nicht.

Gefördert wurde das Projekt von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz, der Bürger­stif­tung Braun­schweig, der Gahnz-Stiftung, der Richard Borek Stiftung, der Lotto-Sport-Stiftung und der TUI Stiftung.

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