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Bunte Gesichter der Stadt

Gesichter in der Ausstellung. Foto: Meike Buck
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Das Projekt des Braunschweigischen Landesmuseums hat unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge und Jugendliche von hier zusammengebracht.

„Wir schaffen das!“ Über die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Aufnahme von Flüchtlingen ist viel diskutiert worden. Wie sollen Millionen fremder Menschen in Deutschland nicht nur materiell versorgt, sondern auch in unsere Gesellschaft integriert werden? Einen Anfang im Kleinen machte das Braunschweigische Landesmuseum mit dem von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz geförderten Projekt „Gesichter der Stadt“, dessen Ergebnisse in einer Ausstellung im Vieweghaus gezeigt werden.

Im Januar 2016 trafen sich 14 Jugendliche im Aufnahmezentrum im Theologischen Zentrum Hinter Brüdern. Das Team mit Kulturantropologin Edda Meyer, Sozialarbeiter Michael Roos, Filmemacher Michael Skolik und Museumspädagoge Torsten Poschmann hatte bereits neun Braunschweiger Schülerinnen und Schüler für das Projekt gewinnen können. Fünf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – in der Ausstellung liebevoll „UmFs“ genannt – wollen mitmachen. Die Idee: Die Jugendlichen lernen sich und ihre Kultur kennen, entdecken Unterschiede und Gemeinsamkeiten, teilen Erlebnisse und Erfahrungen – dokumentiert mit Fotos und Filmen.

In der Ausstellung bekommt die „Flüchtlingskrise“ ein Gesicht. Das Gesicht von Amin, Hamid H., Hamid M., Morteza und Mustafa. Sie sind aus Afghanistan über den Iran nach Deutschland geflohen. Den Besuchern werden sie in Lebensläufen vorgestellt, die die oft abenteuerliche und gefährliche Flucht nur unzureichend darstellen können. Eindrücklich sind Fotos und Filmaufnahmen, die die Jugendlichen unterwegs gemacht haben, in der Ausstellung können sie auf kleinen Bildschirmen angesehen werden. Mit persönlichen Objekten wie einem Paar Flip-Flops, einem vollgepackten Rucksack und einem Willkommensbüchlein aus Griechenland werden die Geschichten greifbarer und realer. Doch dass es nur einen kleinen Teil der Ausstellung ausmacht, ist Absicht. Für die Jugendlichen ist dieses Kapitel abgeschlossen, sie wollen ankommen, etwas Neues beginnen. Gegenwart und Zukunft sind wichtiger als der Blick zurück.

Was hatten sie für Vorstellungen von Deutschland, bevor sie hierher kamen? Karneval, Roboter, schnelle Autos, Weihnachten.  Alles Vorurteile? „Jeder Mensch hat Vorurteile“, stellt Edda Meyer fest. Auch die deutschen Jugendlichen über ihre afghanischen Freunde. Heiße Wüste, Schlafmohn, Burka. „Aber Kinder und Jugendliche gehen oft unverkrampfter mit Fremden um, sind offener gegenüber Neuem und eher bereit, ihre Vorurteile zu revidieren. Erwachsene sind meist festgefahrener in ihren Meinungen.“

Die verschiedenen Treffen der Gruppe werden in tagebuchähnlichen Berichten und Fotos dokumentiert. Kunstverein, Schloss, Landesmuseum, Staatstheater, gemeinsames Essen, Bouldern. In der lockeren Atmosphäre eines Jugendzimmers mit Sofaecke und Schreibtisch können die Ausstellungsbesucher die Aktivitäten der Jugendlichen verfolgen. Die Fotos zeigen: die anfängliche Distanz schwindet, die Gruppe wächst zusammen, der Umgang miteinander wird unverkrampfter.

Doch ein Problem bereitete den Projektmitarbeitern mehr Schwierigkeiten als gedacht. Die Sprache. Und zugleich wird klar, wo der Schlüssel zur Integration liegt. Zur Kommunikation musste ein Dolmetscher eingeschaltet werden, was die Gespräche mitunter mühsam machte, besonders bei schwierigen und persönlichen Themen.

Eine Ausstellung ganz ohne historische Objekte? „Das Museum ist immer bemüht, in seinen Ausstellungen einen Bezug zur Gegenwart herzustellen. Wir dokumentieren hier eine gesellschaftliche Entwicklung, schaffen die Momentaufnahme eines Ereignisses, das irgendwann auch ,historisch‘ sein wird“, erklärt Torsten Poschmann. Außerdem habe das Landesmuseum einen gesellschaftlichen Auftrag, den es so wahrnehme und auch eine politische Botschaft sende. „Auch wenn die Gruppe klein war und keinesfalls gesellschaftlich und sozial repräsentativ: Wir haben einen Anfang geschafft und wollen anderen damit zeigen, dass es möglich ist.“

Befragt nach ihren Wünschen für die Zukunft sind die Jugendlichen dann doch alle ähnlich. Familie, Kinder, einen Beruf, der sie ausfüllt. Und alle haben noch viel vor und blicken erwartungsvoll in die Zukunft.

Informationen

Braunschweigisches Landesmuseum
Burgplatz 1, 38100 Braunschweig

Ausstellung noch bis 27. November 2016

Alle Texte und Informationen in der Ausstellung sind in Deutsch und Persisch.

Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr

Eintritt

Erwachsene 4 €
ermäßigt 3 €
Kinder (6 bis 18 Jahre) 2 €
Kinder bis 5 Jahre und Schüler im Klassenverband sowie andere Lerngruppen frei

Foto

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