Die Rückkehr der Expres­sio­nisten

Kleine Försterei von Lyonel Feininger. Foto: Privatsammlung/Sierigk
Kleine Försterei von Lyonel Feininger. Foto: Privatsammlung/Sierigk

Von 1925 an veran­stal­tete die vom Braun­schweiger Sammler Otto Ralfs gegrün­dete „Gesell­schaft der Freunde junger Kunst“ Ausstel­lungen im ehema­ligen Residenz­schloss.

Arbeiten von weltbe­kannten Expres­sio­nisten wie Marc Chagall, Paul Klee, Max Lieber­mann, Emil Nolde, Käthe Kollwitz, Wassily Kandinsky oder August Macke werden vom 26. September an bis zum 30. August nächsten Jahres im Schloss­mu­seum Braun­schweig gezeigt. Es ist die Rückkehr der „klassi­schen Moderne“ in das Residenz­schloss. Denn dort veran­stal­tete die vom Braun­schweiger Sammler Otto Ralfs gegrün­dete „Gesell­schaft der Freunde junger Kunst“ von 1925 bis 1933 Ausstel­lungen der natio­nalen und inter­na­tio­nalen Avant­garde.

Diese Sonder­aus­stel­lung ist bereits die elfte im Schloss­mu­seum. Führungen finden jeden ersten Sonntag im Monat (15 Uhr) Uhr statt. Die bemer­kens­werte Ausstel­lung wird unter anderem von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz, der Braun­schwei­gi­schen Stiftung, der Richard Borek Stiftung und der Stiftung Nieder­sachsen gefördert. Wie zu den vorhe­rigen Sonder­aus­stel­lungen gibt es erneut einen höchst infor­ma­tiven und sehr übersicht­lich gestal­teten Ausstel­lungs­ka­talog mit vielen farbigen Abbil­dungen.

„Die Geschichte der ‘Gesell­schaft der Freunde junger Kunst‘ liest sich wie ein Auszug aus einem Künst­ler­le­xikon der klassi­schen Moderne. Wir freuen uns sehr, dass wir eine Vielzahl auch inter­na­tional bekannter Positionen in unserer Sonder­aus­stel­lung präsen­tieren können“, sagt Dr. Ulrike Sbresny, Leiterin des Schloss­mu­seums. Gehängt werden mehr als 100 Originale. Darüber hinaus wird es eine Vielzahl an Zeitdo­ku­menten zu sehen geben. Leihgeber sind neben den hiesigen Museen auch viele private Sammler.

Die abstrakte Malerei traf im ausge­henden 19. und begin­nenden 20. Jahrhun­dert nicht den Geschmack des Adels, des Militärs und großer Teile des Bürger­tums. Bis zum Ende der Monarchie 1918 dominierte der tradierte Stil des Histo­rismus im Deutschen Reich. Auch das Braun­schwei­gi­sche Herzogs­paar Ernst August und Victoria Luise lehnte die moderne Kunst ab und erwarb keine Arbeiten der Expres­sio­nisten. Im Gegenteil, sie kriti­sierten etwa eine Ausstel­lung im Herzog­li­chen Museum, dem heutigen Herzog Anton Ulrich-Museum, mit Gemälden von Pablo Picasso und anderen. Ein Vergleich zur höfischen Kunst vor der Abdankung Herzog Ernst Augusts 1918 dokumen­tiert, wie groß die Verän­de­rungen im Kunst­ge­schmack der damaligen Zeit tatsäch­lich waren.

Rasch nach Ende des Ersten Weltkriegs etablierte sich auch in Braun­schweig eine moderne Kunst­szene, an deren Spitze Otto Ralfs stand. Er und seine Frau Käthe stammten aus kunst­be­geis­terten Familien. Sie pflegten enge persön­liche Kontakte zu Paul Klee, Emil Nolde, Wassily Kandinsky oder Lyonel Feininger. Seine  Künst­ler­kon­takte dokumen­tierte Ralfs in einem Gästebuch. „Unbeschwerte Tage in Braun­schweig“, steht da zum Beispiel von Emil Nolde zu lesen. Das Künst­ler­netz­werk war die Grundlage für die die Ausstel­lungen der „Gesell­schaft der Freunde junger Kunst“. Die großen Avant­gar­disten jener Zeit waren häufig in Braun­schweig in zu Gast.

Die Verei­ni­gung wurde bereits 1924 gegründet und stand in der Folge vergleich­barer Zusam­men­schlüsse in Neuss (1915), Hannover (1916), Darmstadt (1918) und Oldenburg (1922). Zeitgleich mit der Braun­schweiger „Gesell­schaft der Freunde junger Kunst“ wurde in Düssel­dorf die „Verei­ni­gung für junge Kunst“ ins Leben gerufen. Vor dem Hinter­grund der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Verfol­gung von moderner Kunst löste sich die Gesell­schaft 1933 auf. Bis dahin hatte Ralfs mehr als 40 Einzel- und Gruppen­schauen im Schloss organi­siert, bei denen teilweise die Kunst­werke auch zum Kauf angeboten wurden. Lediglich die ersten beiden Ausstel­lungen hatten im Landes­mu­seum statt­ge­funden. Die Kritik war zunächst vernich­tend. „Unglaub­liche, hirnver­brannte Sachen zum Teil, so dass man denken muss, die Künstler sind nicht ganz klar im Kopf“, wetterte zum Beispiel die Ehefrau des damaligen Leiters des Landes­mu­seums, Eduard Flechsig.

„Die Leistung der ‘Gesell­schaft der Freunde junger Kunst‘ ist schlichtweg beein­dru­ckend“, urteilt Museums­lei­terin Dr. Ulrike Sbresny. Ohne staat­liche Unter­stüt­zung baute Ralfs und seine Freunde einen zugewie­senen, kargen  Vorrats­raum im zweiten Oberge­schoss des Schlosses um zu einer Galerie, in der Künstler von Weltgel­tung ausstellten. „Die im September startende Sonder­aus­stel­lung gibt einen Einblick in das umfang­reiche Programm der Verei­ni­gung und dokumen­tiert dieses besondere Kapitel der Schloss­ge­schichte“, meint Dr. Sbresny.

Die heraus­ra­gende, private Sammlung von Käthe und Otto Ralfs umfasste 1931 rund 120 Werke, darunter viele Werke von Klee, Nolde oder Kandinsky und auch einen Picasso. Im Oktober 1944 wurde das Wohnhaus der Ralfs´ von Bomben getroffen und ein Großteil der Sammlung wurde Opfer der Flammen. Mit Ralfs starb 1955 ein weit über die Stadt­grenzen hinaus anerkannter Pionier der künst­le­ri­schen Avant­garde in Deutsch­land. Dank der Sonder­aus­stel­lung kehrt seine Leiden­schaft an den wohl wichtigsten Ort seines Wirkens zurück.

Bisherige Sonder­aus­stel­lungen im Schloss­mu­seum:

- Revolu­tion. Abdankung. Schloss.
– Victoria Luise – Ein Leben, zwei Welten
– 10 Jahre Schloss…seit 1841
– Schatz­kammer Harz
– Marie! Die Frau des Schwarzen Herzogs.
– Fürsten­taufe und Famili­en­tra­di­tion
– Wer ist Carl I.? Auf den Spuren des Herzogs von Braun­schweig-Wolfen­büttel
– Europas letztes Rendez­vous. Die Hochzeit von Victoria Luise und Ernst August
– Frauen in der Politik: Äbtissin Therese Natalie
– Auf Umwegen ins Schloss – Fundstücke und ihre Geschichte(n)

Kontakt:

Schloss­mu­seum Braun­schweig

Schloss­platz 1

38100 Braun­schweig

Telefon: 0531–470 4876

E‑Mail: schlossmuseum@residenzschloss-braunschweig.de

Homepage: www.schlossmuseum-braunschweig.de

Faceboook: www.facebook.com/schlossmuseum.braunschweig

 

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