„Ein besseres Deutsch­land gab es nie“

Oberbürgermeister Ulrich Markurth begrüßte zur Diskussionsveranstaltung. Foto: Knut Bussian
Oberbürgermeister Ulrich Markurth begrüßte zur Diskussionsveranstaltung. Foto: Knut Bussian

Städti­sche Veran­stal­tung anläss­lich des 30. Jahres­tags der Wieder­ver­ei­ni­gung zieht überwie­gend positiv Bilanz.

„Bis heute ist das Zusam­men­wachsen der ehemals zwei deutschen Staaten nicht abgeschlossen und bei weitem nicht vollkommen“, sagte Braun­schweigs Oberbür­ger­meister Ulrich Markurth zu Beginn der städti­schen Veran­stal­tung anläss­lich des 30. Jahres­tags der Wieder­ver­ei­ni­gung beider deutscher Staaten am 3. Oktober 1990. Die Freund­schaft zwischen den Städten und den Menschen sei jedoch auf allen Ebenen gelebter Alltag. Für Braun­schweig bedeute die Wieder­ver­ei­ni­gung, dass die Stadt vom Zonenrand in die Mitte Deutsch­lands gerückt sei. Magdeburg und Braun­schweig lägen seither im Herzen Europas. Dafür und für die großen Chancen, die sich daraus ergäben, sollten beide Städte dankbar sein.

„Das, was unsere Gemein­schaft im wieder­ver­einten Deutsch­land zusam­men­hält, sind die Werte, auf denen unser Land gegründet ist und die im Grund­ge­setz festge­schrieben sind. Gemeinsam treten wir für die Prinzi­pien ein, die in allen europäi­schen Ländern Geltung haben oder haben sollten – für Grund­rechte und Demokratie, für Solida­rität und Offenheit, für die Würde des Einzelnen und das Mitein­ander der Verschie­denen“, erklärte Markurth.

Mann der ersten Stunde

Dr. Gert Hoffmann übernahm als Regierungspräsident von Dessau Verantwortung. Foto: Knut Bussian
Dr. Gert Hoffmann übernahm als Regie­rungs­prä­si­dent von Dessau Verant­wor­tung. Foto: Knut Bussian

Der frühere Oberbür­ger­meister Braun­schweigs, Dr. Gert Hoffmann, zog in seinem Impuls­vor­trag eine überwie­gend positive Bilanz nach 30 Jahren Wieder­ver­ei­ni­gung. Als aus dem Westen (Gifhorn) gekom­mener Regie­rungs­prä­si­dent in Dessau (Sachsen-Anhalt) war er ein „Mann der ersten Stunde“ beim Aufbau der Verwal­tung auf dem Gebiet der ehema­ligen DDR. „Die Wieder­ver­ei­ni­gung war ein großes Glück für dieses Land, für die Menschen, nicht nur für die Ostdeut­schen, sondern sicher auch für uns hier. Für mich war es ein beson­deres Glück, dass ich eine so inter­es­sante und verant­wor­tungs­volle Position bekam. Dafür werde ich ewig dankbar sein. Wem bin ich dankbar? Den Menschen in der DDR, die diese fried­liche Revolu­tion reali­siert haben und mir das Vertrauen geschenkt haben“, meinte er.

Problem­stel­lungen gemeis­tert

Hoffmann erinnerte in seinem Beitrag an die großen Problem­stel­lungen der Anfangs­zeit mit dem sogenannten Schürer­pa­pier, das die desolate ökono­mi­sche Lage der DDR offen­barte, der Währungs­union, die die Flucht aus dem Osten stoppen sollte, und der Treuhand, die große Teile der DDR-Wirtschaft aufgrund fehlender Wirtschaft­lich­keit abwickeln musste. In seinem damaligen Regie­rungs­be­zirk seien in kurzer Zeit allein beim Fotoche­mi­schen Kombinat Wolfen und beim Chemie­kom­binat Bitter­feld rund 33.000 Arbeits­plätze wegge­fallen, ehe Neuan­sied­lungen gelangen.

Den Sorgen von damals stünden heute jedoch die großen Fortschritte bei der Infra­struktur auf dem Gebiet der ehema­ligen DDR gegenüber. „Wer erinnert sich schon daran, wie schwierig es anfangs war, überhaupt nur zu telefo­nieren“, fragte Dr. Hoffmann. Er hob die Entwick­lung von Braun­schweigs Partner­stadt und Sachsen-Anhalts Landes­haupt­stadt Magdeburg hervor, die Verän­de­rung des Braun­kohle-Tagebaus in Bitter­feld, der heute – in Teilen geflutet – ein Naherho­lungs­ge­biet ist, oder Quedlin­burg, das als Welterbe­stadt eine Touris­ten­at­trak­tion von europäi­schem Rang ist.

Mehr Austausch erfor­der­lich

Kritisch merkte er an, dass viele Westdeut­sche auch nach der Wieder­ver­ei­ni­gung zu wenig Interesse an der Historie der DDR und der Entwick­lung der neuen Bundes­länder zeigten. „Wir müssen mehr zusam­men­kommen, nicht nur am Tag der Deutschen Einheit und nicht nur die Offizi­ellen. Der Apell geht ganz klar an die Westdeut­schen. Man staunt, wie wenig sich Menschen aus dem Westen mit den Schön­heiten an Kultur und Sehens­wür­dig­keiten auskennen, die nur wenige Kilometer hinter der früheren Grenze liegen“, meinte er. Er warb dafür, den Ostdeut­schen besser und in Ruhe zuzuhören, was sie wirklich bewege, damit in zehn Jahren die Wieder­ver­ei­ni­gung tatsäch­lich hundert Prozent gelungen sei.

Kontakt zum Politbüro

Gerhard Glogowski fädelte 1987 Braunschweigs Städtepartnerschaft mit Magdeburg ein. Foto: Knut Bussian
Gerhard Glogowski fädelte 1987 Braun­schweigs Städte­part­ner­schaft mit Magdeburg ein. Foto: Knut Bussian

Dem Impuls­re­ferat folgte eine Diskus­si­ons­runde mit unter anderem dem früheren Minis­ter­prä­si­denten Nieder­sach­sens und ehema­ligen Braun­schweiger Oberbür­ger­meister Gerhard Glogowski. Er berich­tete, wie es 1987 zur Städte­part­ner­schaft zwischen Magdeburg in der DDR und Braun­schweig gekommen war. Vermittler sei der damalige Chef der Salzgitter AG, Ernst Pieper, gewesen, der persön­liche Kontakte zu Günter Mittag, einem Mitglied des Polit­büros des Zentral­ko­mi­tees der SED, unter­halten hatte. „Damals gab es 500 westdeut­sche Städte, die Partner­schaften mit Städten in der DDR beantragt hatten. Das Bedürfnis der Menschen zum Austausch war auch zu der Zeitz in beiden deutschen Staaten ausge­prägt“, erklärte Glogowski.

Verant­wor­tung für die Zukunft

Der frühere Magdeburger Oberbürgermeister Dr. Wilhelm Polte fordert auf, weiter an der Deutschen Einheit zu arbeiten. Foto: Knut Bussian
Der frühere Magde­burger Oberbür­ger­meister Dr. Wilhelm Polte fordert auf, weiter an der Deutschen Einheit zu arbeiten. Foto: Knut Bussian

Den vielleicht markan­testen und treffendsten Satz der Veran­stal­tung zur 30. Wieder­kehr der Einheit formu­lierte der frühere Magde­burger Oberbür­ger­meister Dr. Wilhelm Polte. „Ich freue mich jeden Morgen, wenn ich aufstehe und mir bewusst wird, dass ich im vereinten Deutsch­land lebe. Ein besseres Deutsch­land hat es in der Geschichte noch nie gegeben“, sagte er und warnte davor, am Einigungs­pro­zess dauerhaft rückbli­ckend herum­zu­nör­geln. Er forderte auf, weiter an der Deutschen Einheit zu arbeiten, aus der Vergan­gen­heit mit zwei Kriegen und zwei Dikta­turen zu lernen und Verant­wor­tung für die Zukunft zu übernehmen.

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