Ein Kernstück des Vater­län­di­schen Museums

Das Zweigmuseum des Braunschweigischen Landesmuseums, Hinter Aegidien. Foto: Braunschweigisches Landesmuseum
Das Zweigmuseum des Braunschweigischen Landesmuseums, Hinter Aegidien. Foto: Braunschweigisches Landesmuseum

Geschichte(n) aus dem Braun­schwei­gi­schen, Folge 33: Wie die Innen­ein­rich­tung der Hornburger Synagoge 1924 gerettet wurde.

Das Kloster St. Aegidien beher­bergt in der Außen­stelle des Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seums das Jüdische Museum. Im Mittel­punkt der Dauer­aus­stel­lung steht die Innen­ein­rich­tung der Hornburger Synagoge, die durch eine Vielzahl von Objekten und Dokumenten zur jüdischen Kultur­ge­schichte ergänzt wird. Das Museum ist zurzeit geschlossen. Im Dezember soll es mit einer neuen Ausstel­lung wieder eröffnet werden. Das Kloster St. Aegidien ist das älteste, öffent­lich zugäng­liche Gebäude Braun­schweigs. Das Jüdische Museum darin ist das erste seiner Art im Deutsch­land nach dem Zweiten Weltkrieg.

300-jährige Geschichte endete

Als am 12. Dezember 1923 das letzte Mitglied der jüdischen Gemeinde in Hornburg, Amalie Schwabe, starb, endete nicht nur die fast 300-jährige Geschichte dieser Gemeinde. Auch für die seit 1882 nicht mehr genutzte Synagoge war das Ende vorher­be­stimmt, zumal die zustän­dige jüdische Gemeinde in Halber­stadt keinen Einwand gegen den Abbruch erhob. Die Innen­ein­rich­tung mit allen kultisch wertvollen Teilen aber gelangte in das Vater­län­di­sche Museum, dem Vorgänger des Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seums, nach Braun­schweig. Es war dies eines der beson­deren Verdienste des ersten Direktors des Museums, Prof. Dr. Karl Stein­acker.

In seinem Erwer­bungs­be­richt schildert er, dass das Vater­län­di­sche Museum bereits vor dem Ersten Weltkrieg mit den Vorbe­rei­tungen zur Übernahme begonnen hatte, unter­stützt von dem Rechts­an­walt Oskar Ballin. Weitere Hilfe, auch finan­zi­eller Art, kam durch den Kunst­maler Ephraim Moses Lilien, dem Landes­rab­biner Dr. Hugo Schiff, dem Vorsit­zenden des Museums­vor­standes Dr. Robert Bohlmann, weiteren Mitglie­dern der jüdischen Gemeinde Braun­schweig sowie dem Bankier Dr. Wolf in Stadt­ol­den­dorf.  Dank dieser Hilfe konnten 1924 der Transport nach Braun­schweig und der Aufbau in der Aegidi­en­kirche erfolgen. Diese museale Präsen­ta­tion der Jüdischen Abteilung war ein Kernstück des Vater­län­di­schen Museums.

Jüdische Sammlung verdrängt

Als im Jahr 1946 die katho­li­sche Kirchen­ge­meinde die Aegidi­en­kirche als „provi­so­ri­sche“ Pfarr­kirche übernahm, mussten die Objekte in Museums­de­pots gelagert werden. Vierzig Jahre lang blieb so die jüdische Sammlung aus der Dauer­aus­stel­lung des Museums verdrängt, lediglich durch Sonder­aus­stel­lungen von Zeit zu Zeit in das Bewusst­sein der Öffent­lich­keit zurück­ge­rufen, obwohl es die tradi­ti­ons­reichste Sammlungs­ab­tei­lung des Landes­mu­seums war und ist.

Inneneinrichtung der Hornburger Synagoge. Foto: Braunschweigisches Landesmuseum/Marek Kruszewski
Innen­ein­rich­tung der Hornburger Synagoge. Foto: Braun­schwei­gi­sches Landesmuseum/Marek Kruszewski

Die Abteilung Jüdisches Museum geht nämlich in Teilen auf die Sammlung des Kammer­agenten Alexander David zurück. Dieser stammte aus Halber­stadt und hatte sich 1707 in Braun­schweig nieder­ge­lassen, wo er sich der beson­deren Förderung von Herzog Anton Ulrich und dessen Sohn und Nachfolger August Wilhelm erfreute. Mit Unter­stüt­zung des Herzogs erwarb er das Haus Kohlmarkt 16, das ihm zugleich als Wohn- und Geschäfts­haus diente und in dem er sich eine private Synagoge einrich­tete, die er mit einer beacht­li­chen Sammlung kulti­scher Zeugnisse und kostbarer Handschriften ausstat­tete.

Synagoge von Constantin Uhde

Mit der Übernahme des Hauses Kohlmarkt 16 durch die jüdische Gemeinde in Braun­schweig ging der größte Teil der Sammlung in deren Besitz über. Als die Gemeinde am 23. September 1875 die neue, von Constantin Uhde entwor­fene Synagoge an der Alten Knochen­hau­er­straße bezog, wurde die Sammlung von Alexander David in einem kleinen Museum im benach­barten Gemein­de­haus in der Stein­straße präsen­tiert. Mit dieser Sammlung, von der Teile den Grund­stock des heutigen Jüdischen Museums bilden, verbindet man allgemein das älteste jüdische Museum, ein für die Braun­schwei­gi­sche und Nieder­säch­si­sche Museums­ge­schichte sicher­lich inter­es­santer und wichtiger Aspekt.

Jüdisches Museum seit 1987

So hatte die museale Präsen­ta­tion jüdischer Geschichte und Kultur in Braun­schweig bereits eine lange Tradition, ehe im Zusam­men­hang mit der Rettung der Hornburger Synagoge im Jahr 1924/25 die Abteilung Jüdisches Museum beim Vater­län­di­schen Museum einge­richtet wurde. Im Zentrum der Präsen­ta­tion stand damals und steht auch heute die Innen­ein­rich­tung der Hornburger Synagoge, deren Restau­rie­rung durch eine großzü­gige Spende von Dr. Ing. Ernest Boas aus der Schweiz 1987 ermög­licht wurde. Ergänzt durch die wichtigsten Bestände der Judaica-Sammlung des Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seums entstand, vor der Neueröff­nung des Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seums im Vieweg­haus 1989, am 27. Oktober 1987 das Jüdische Museum Hinter Aegidien, damit das erste seiner Art nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutsch­land.

Prof. Dr.h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte an der TU Braun­schweig.

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