Evalua­tion: „Braun­schweiger Modell“ hat Vorzei­ge­cha­rakter

Das DialogWerk Braunschweig bietet pädagogischen Fachkräften in Kitas Qualifizierungen für Sprachbildung und -förderung. Foto: shutterstock
Das DialogWerk Braunschweig bietet pädagogischen Fachkräften in Kitas Qualifizierungen für Sprachbildung und -förderung. Foto: shutterstock

Das Dialog­Werk der Volks­hoch­schule Braun­schweig unter­stützt Kinder­ta­ges­stätten bei der Sprach­bil­dung und ‑förderung.

Sprach­liche Fähig­keiten sind ein wesent­li­cher Grund­stein für die sozial-emotio­nale Entwick­lung und den Bildungs­er­folg von Kindern. Dabei sind die ersten Lebens­jahre von beson­derer Bedeutung. Deswegen bietet das Dialog­Werk als Teil der Volks­hoch­schule allen Kinder­ta­ges­stätten in Braun­schweig seit 2012 Unter­stüt­zung bei der Umsetzung der alltags­in­te­grierten Sprach­bil­dung und ‑förderung an. So sollen alle Kinder vom Krippen­ein­tritt bis zur Einschu­lung optimale Chancen für einen erfolg­rei­chen Bildungs- und Lebensweg erhalten. Um den Erfolg des Projekts einschätzen zu können, wurden die Hochschule für angewandte Wissen­schaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK) und die Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH Berlin) mit der Evalua­tion beauf­tragt.

Das Urteil ist überaus ermuti­gend. Im vorge­legten Abschluss­be­richt steht: „Das ‚Braun­schweiger Modell‘ kann als Erfolgs­mo­dell für die Entwick­lung einer regio­nalen Unter­stüt­zungs­struktur angesehen werden. Mit dem träger­über­grei­fenden Konzept hat die Stadt Braun­schweig den Schritt in die richtige Richtung gesetzt und nachhal­tige Struk­turen aufgebaut, die alle Einrich­tungen unter­stützen, den Austausch unter­ein­ander fördern und vor allem kleine Einrich­tungen parti­zi­pieren lassen, die nicht über hinrei­chende Ressourcen für Fachbe­ra­tung verfügen. Die Ergeb­nisse der Evalua­tion belegen, dass ein multi­pro­fes­sio­nelles Unter­stüt­zungs­netz­werk eine wirksame Begleit­struktur bildet, die durch bedarfs­ori­en­tierte, träger­über­grei­fende Angebote Kommu­ni­ka­tions- und Inter­ak­ti­ons­pro­zesse sowie Sprach­bil­dung und ‑förderung umfassend weiter­ent­wi­ckeln und damit die Qualität frühkind­li­cher Bildung wesent­lich verbes­sern kann.“

Umfang­reiche Erhebung

In Nieder­sachsen wurde bereits 2003/04 flächen­de­ckend die vorschu­li­sche Sprach­för­de­rung einge­führt. Als Bestand­teil der Maßnahmen zur Sprach­för­de­rung in Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen wurden im Laufe des vergan­genen Jahrzehnts regionale Unter­stüt­zungs­struk­turen geschaffen und aus Landes­mit­teln finan­ziert. Inzwi­schen liegen wissen­schaft­liche Studien vor, die die Wirksam­keit alltags­ori­en­tierter Sprach­för­de­rung belegen. Die Bedeutung von Begleit­struk­turen für die nachhal­tige Entwick­lung von Sprach­bil­dung und Sprach­för­de­rung wurde aber bislang noch nicht syste­ma­tisch unter­sucht.

Deswegen machten sich die Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler unter Leitung von Prof. Dr. Tim Rohrmann, HAWK-Studi­en­gangs­ko­or­di­nator für Kindheits­päd­agogik und Sprecher des Landes­stu­di­en­gangs Pädagogik der Kindheit Nieder­sachsen, ans Werk, um auf Grundlage von Dokumen­ten­ana­lysen, Inter­views und einer umfang­rei­chen Online-Erhebung beispiel­haft die verschie­denen Formate und Angebote des Dialog­Werks auf ihre Wirksam­keit und Nachhal­tig­keit zu prüfen.

Das Dialog­Werk bietet für alle pädago­gi­schen Fachkräfte in den Braun­schweiger Kitas Quali­fi­zie­rung, Vernet­zung, kolle­gialen Austausch, Beratung und Weiter­ent­wick­lung zu allen Themen rund um Sprache an. Das Dialog­Werk steht auch zu anderen Akteuren im Elemen­tar­be­reich der Stadt Braun­schweig in engem Kontakt, um die vielfäl­tigen Quali­fi­zie­rungs­mög­lich­keiten bekannt zu machen, zu bewerben und schließ­lich auch zu erproben. Ziel ist es, ein passge­naues Angebot zur Verfügung stellen zu können.

Wichtige Fortbil­dungen

Die enge Verzah­nung von Fortbil­dungs- und Quali­fi­zie­rungs­an­ge­boten und die Fach- und Fallbe­ra­tung in den Einrich­tungen habe sich besonders bewährt, heißt es in dem Abschluss­be­richt. Es hätten sich die Erzähl­kom­pe­tenzen und der Umgang mit geschrie­bener Sprache bei den Kindern deutlich verbes­sert. Weiter berichten die Fachkräfte, laut dem Bericht, dass sie mehr Sicher­heit im Umgang mit sprach­li­chen Auffäl­lig­keiten und Sprach­stö­rungen gewonnen haben. Eine große Heraus­for­de­rung stelle weiterhin der pädago­gi­sche Umgang mit Mehrspra­chig­keit dar, die in vielen Braun­schweiger Kitas zunehmend selbst­ver­ständ­li­cher Teil des Alltags sei.

In den Braun­schweiger Kitas hatten im Jahre 2019 nach Angaben des Länder­mo­ni­tors „Frühkind­liche Bildungs­sys­teme“ 27 Prozent der Kinder von 0–3 Jahren und 38 Prozent der Kinder im Alter von 3–6 Jahren einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund (Bertels­mann Stiftung 2020). Bezogen auf die Famili­en­spra­chen zeigte sich, dass 16 Prozent der Kinder von 0–3 Jahren und 24 Prozent der Kinder von 3–6 Jahren zu Hause eine andere Famili­en­sprache als Deutsch sprachen. Die gerin­geren Anteile im U3-Bereich ließen sich damit erklären, dass Familien mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund ihre Kinder in den ersten Lebens­jahren häufiger zu Hause betreuten.

Neue Heraus­for­de­rungen

Die Evalua­tion habe gezeigt, dass in vielen Bereichen – von Mehrspra­chig­keit über die Erfassung von Sprach­kom­pe­tenzen bis hin zum Umgang mit Sprach­stö­rungen – weiterer konti­nu­ier­li­cher Unter­stüt­zungs­be­darf bestehe. Dazu müssten multi­pro­fes­sio­nelle und praxis­nahe Unter­stüt­zungs­struk­turen erhalten und weiter ausgebaut werden, heißt es in dem Bericht. Die Ergeb­nisse wiesen darüber hinaus unmiss­ver­ständ­lich darauf hin, dass Sprach­bil­dung in den ersten drei Lebens­jahren eine ebenso große Bedeutung zukomme wie im Kinder­gar­ten­alter. Dies stelle angesichts des rapiden Ausbaus der Betreuung von Kindern unter drei Jahren eine neue Heraus­for­de­rung für die Weiter­ent­wick­lung von Konzepten der Sprach­bil­dung dar.

Insgesamt nahmen 82 Personen an der Erhebung teil. Davon waren 30 als Leitungs­kräfte, 25 als pädago­gi­sches Fachper­sonal und 27 als Leitungs- und Fachkraft tätig. Damit konnten 57 Einrich­tungen und somit gut ein Drittel der Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen im Gebiet der Stadt Braun­schweig an der Studie beteiligt werden.

Die Evalua­tion wurde von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz gefördert. Der Abschluss­be­richt des Projekts ist auf der Website der HAWK abrufbar: https://www.hawk.de/de/media/10592.

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