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Die jüdischen Einwohner Hornburgs im Fokus

Einweihung des Kriegsgefallenendenkmals zu Hornburg, einziger Gefallener aus Hornburg: der Jude Joseph Schwabe, August 1870 in Beaumont. Foto: Stadtarchiv Hornburg
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Im Jahr 2016 jährte sich die Einweihung der Synagoge in Hornburg zum 250. Mal. Aus diesem Anlass zeigt eine Ausstellung im Heimatmuseum Hornburg die Geschichte der Jüdinnen und Juden in der Stadt und gibt Einblicke in deren Kultur und Religion.

Der erste archivalisch nachweisbare Beleg für die Ansiedlung von Juden in Hornburg datiert auf das Jahr 1642, als Moses Isaac Schöningen um die Erlaubnis bat, sich in Hornburg niederzulassen. In den folgenden knapp drei Jahrhunderten wuchs die jüdische Gemeinde, Höhepunkt der Entwicklung war der Bau einer Synagoge, die 1766 eingeweiht wurde. Die Gemeinde kaufte ein baufälliges Fachwerkhaus, das, eine Ironie der Geschichte, der erste protestantische Pfarrer in Hornburg 1569 erbauen ließ. Auf dem Hinterhof wurde die Synagoge errichtet, die Ausstattung aus dem 18. Jahrhundert ist heute in Norddeutschland einzigartig.

Diese Synagoge steht im Mittelpunkt des Forschungsprojektes „Hornburg – 250 Jahre Synagoge und deren jüdische Gemeinde“ der Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa der TU Braunschweig, das vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert wird. In Kooperation mit dem Braunschweigischen Landesmuseum, dem Center for Jewish Art, dem Stadtarchiv Hornburg und der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen erforschen Prof. Dr. Alexander von Kienlin, wissenschaftlicher Leiter der Bet Tfila, sein Mitarbeiter Mirko Przystawik und ihre Partner die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Hornburg und deren Einrichtungen. Zwischenergebnisse der Forschungen sind nun in einer auch von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und der Braunschweigischen Stiftung geförderten Ausstellung im Heimatmuseum Hornburg zu sehen. Sie ist als Wanderausstellung konzipiert und soll danach in Halberstadt, Celle und im Braunschweigischen Landesmuseum gezeigt werden.

Ein solch interdisziplinärer Ansatz zur Erforschung einer jüdischen Gemeinde sei bisher einzigartig, hebt von Kienlin hervor. „Die Kooperation mit den Partnern klappt hervorragend und durch die unterschiedlichen Fachwissenschaftler, Historiker, Architekturhistoriker, Judaisten, kommen wir zu besonders spannenden Ergebnissen.“

Besonders die Dokumentation der jüdischen Gräber hat tolle Ergebnisse gebracht. Prof. Berndt Schaller von der Universität Göttingen hat dazu die Inschriften der rund 80 noch lesbaren Grabsteine entziffert, die Namen gaben wichtige Hinweise für die Recherche in den schriftlichen Überlieferungen. Die Erschließung der Akten im Stadtarchiv Hornburg ist ein weiterer wichtiger Baustein des Projektes, die nun namentlich bekannten Hornburger Juden können so in der Stadt lokalisiert werden. Die Hornburger Archivarin Dr. Sibylle Heise hat dabei viel Neues in den Beständen entdeckt, so ein Gebetsbuch aus dem Jahre 1709. „Aber die Arbeit war auch schwierig“, berichtet sie. „Eine fremde Kultur mit anderen Regeln, in die ich mich erst einarbeiten musste. Zudem waren die Rechte für Juden in jedem Land anders, das war viel Detailarbeit.“

Heise hat sich bei ihrer Arbeit für die Ausstellung vor allem auf drei Familien konzentriert. Dabei sind viele persönliche Geschichten ans Licht gekommen. Beispielsweise die von Josef Schwabe, der als einziger Hornburger Bürger in den Kriegen im 19. Jahrhundert fiel. „Die Juden sahen sich als deutsche Staatsbürger, die selbstverständlich einen Beitrag für ihr Vaterland leisten wollten. Dass Schwabe auf dem Kriegsgefallenendenkmal als einziger neben dem Konterfei von Kaiser Wilhelm steht, zeugt von gesellschaftlicher Anerkennung.“ Oder die der Familie Goslar, von deren sechs Kindern lediglich eines den Holocaust überlebte.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts verließen viele Hornburger Juden ihre Heimat. „Ab 1870 galten für die Juden die gleichen Bürgerrechte wie für Christen. So verlor Hornburg seine Attraktivität, die es durch die Grenzlage und den dadurch möglichen Handel für die Juden gewonnen hatte. Zudem wurde die kleine Stadt am Fallstein während der Industrialisierung abgehängt, viele Einwohner, auch Juden, verließen sie in Richtung der großen Industriestädte“, berichtet Mirko Przystawik. Mit dem Tod des letzten Mitglieds der jüdischen Gemeinde in Hornburg im Dezember 1923 hörte die Gemeinde auf zu existieren, lange vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Auch die 1766 eingeweihte Synagoge verfiel, bis sie Anfang der 1920er Jahre in einer gemeinsamen Rettungsaktion von der jüdischen Gemeinde in Braunschweig, dem Vaterländischen Museum Braunschweig (heute Braunschweigisches Landesmuseum) und der Technischen Hochschule Braunschweig dokumentiert und ihre Inneneinrichtung dem Museum übergeben wurde.

Przystawik sieht auch Parallelen zu aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen. Die Erbauer der Synagoge bekamen die Auflage, dass sie am Stadtrand liegen und nicht einsehbar sein durfte. „Mit ähnlichen Argumenten diskutieren wir heute über den Bau von Minaretten. Auch die Hornburger Geschichte erzählt vom Umgang mit einer fremden Kultur und religiösen Minderheiten.“

Für das Forschungsteam bleiben noch einige offene Fragen. So gibt es in den Quellen Hinweise auf mindestens eine Mikwe, das Tauchbad zur rituellen Reinigung. „Aber wir wissen noch nicht, wo genau sie gelegen hat. Wir hoffen, dass wir das herausfinden“, sagt von Kienlin. Und Przystawik hofft, dass der bisher ergebnislose Aufruf an die Bevölkerung, Gegenstände, die in Verbindung mit jüdischen Bürgern in Hornburg stehen, abzugeben, doch noch Erfolg hat. „Wir werden neue Ergebnisse und Gegenstände in die nächsten Stationen der Ausstellung einarbeiten“, verspricht er.

Informationen

Heimatmuseum Hornburg, Montelabbateplatz 1
Ausstellung bis 29. Januar 2017
Donnerstag bis Samstag 14 bis 16 Uhr, Sonntag 14 bis 17 Uhr
Eintritt frei
Führungen sonntags 15 Uhr und nach Vereinbarung

Voraussichtlich ab Mitte Februar wird die Ausstellung in der Moses-Mendelssohn-Akademie in Halberstadt gezeigt, danach sind Stationen in Celle und im Braunschweigischen Landesmuseum geplant.

Inneneinrichtung der Hornburger Synagoge im Braunschweigischen Landesmuseum
Ausstellungszentrum Hinter Aegidien, Braunschweig
Freitag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
Eintrittspreise: Tageskarten für alle Dauerausstellungen des Braunschweigischen Landesmuseums: Erwachsene 4 €/ermäßigt 3 €, Kinder (6–17 Jahre) 2 €, Ermäßigungen für Schüler, Studenten, Inhaber der Braunschweig-Card u.a.

Fotos

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