Vom Zweit­ge­bo­renen zum Goldju­bilar

Das seltene Jugendporträt Wilhelms zeigt einen sensiblen Jugendlichen, der viele Ähnlichkeiten zu seinen Eltern aufweist. Es ist im Schlossmuseum Braunschweig zu sehen. Foto: Schlossmuseum
Das seltene Jugendporträt Wilhelms zeigt einen sensiblen Jugendlichen, der viele Ähnlichkeiten zu seinen Eltern aufweist. Es ist im Schlossmuseum Braunschweig zu sehen. Foto: Schlossmuseum

Folge 8 der Reihe „Schick­sale am einstigen Braun­schweiger Hof“: Wilhelm.

Zwei für das Residenz­schloss Braun­schweig wichtige Geburts­tage fallen in den Monat April: während das Schloss­mu­seum sein fünfjäh­riges Bestehen vom 7. – 9. April mit einer Veran­stal­tungs­reihe begeht, jährt sich der Geburtstag Wilhelms Herzog von Braun­schweig am 25. April zum 210. Mal.
Als zweiter Sohn des späteren Schwarzen Herzogs Friedrich Wilhelm und seiner Ehefrau Marie wurde Wilhelm 1806 geboren. Nachdem bereits 18 Monate zuvor die Geburt seines Bruders Karl begeis­tert gefeiert wurde, freute sich das Herzogs­haus – und mit ihm die Bevöl­ke­rung – auch über den Zweit­ge­bo­renen. Man hatte zuvor bereits befürchtet, die Linie des Neuen Hauses Braun­schweig könne aussterben, da die älteren Brüder Friedrich Wilhelms keine Nachkommen hatten. Umso wichtiger war es, dass nach Karl ein zweiter Enkel Carl Wilhelm Ferdi­nands die Nachfolge sicherte. Die Entwick­lung der beiden Brüder im Laufe ihres Lebens machte später deutlich, dass die gedämpf­tere Freude zur Geburt Wilhelms gemäß seiner Bedeutung für Braun­schweig länger währte als die kurze eupho­ri­sche Freude zur Geburt Karls.

Bereits Wilhelms früheste Kindheit war aller­dings zunächst von Trennungen, Angst und Flucht beherrscht. Während sein Vater bereits wenige Monate nach seiner Geburt auf preußi­scher Seite gegen franzö­si­sche Truppen ins Feld zog, musste er mit sechs Monaten mit seiner Mutter und dem Bruder aus Braun­schweig fliehen. Braun­schweig wurde besetzt und die Familie suchte bei Wilhelms Tante Friede­rike, der schwe­di­schen Königin, Schutz. Dass er auf der Reise nicht bei seiner Mutter, sondern bei einer Amme war und mit dieser eine Kutsche teilte, während der ältere Bruder – der Erbprinz – mit der Mutter fuhr, war nicht ungewöhn­lich. Seine Mutter war dennoch fürsorg­lich und sorgte sich um seine Gesund­heit, da er gerade Zähne bekam. Zeit, enge Bindungen zu Bezugs­per­sonen aus seiner Familie aufzu­bauen, hatte Wilhelm jedoch nicht. Sein Großvater starb im November 1806, seine Mutter im Frühjahr 1808. Umso wichtiger war die Beziehung zu seinem Bruder Karl. Dies galt insbe­son­dere für die Zeit in der ihr Vater mit seinem Freikorps als „Schwarzer Herzog“ kämpfte und die Brüder in England von Erziehern eine strenge Behand­lung erfuhren. Kaum zurück in Braun­schweig fiel auch der Vater 1815 im Feld. Auch wenn sich der Alltag Wilhelms zunächst nicht stark änderte, muss der Verlust des Vaters besonders prägend für den Jungen gewesen sein. Das Wissen darum, außer dem Bruder keine engen Verwandten zu haben, erschwerte sicher das Ertragen der ohnehin nach heutiger Sicht wenig kindge­rechte Erziehung. Je stärker das Verhalten seines Bruders Karl schwie­riger und aufleh­nender wurde, desto stärker muss die Abwesen­heit der Eltern für Wilhelm spürbar geworden sein.

Ein seltenes Jugend­por­trät Wilhelms, das vermut­lich bei einem Aufent­halt bei seiner Großmutter mütter­li­cher­seits in Bruchsal entstand, zeigt ihn als jungen Mann, der gleich­zeitig aufgeregt zurück­hal­tend und nachdenk­lich wirkt. Wilhelm löste sich in der Folgezeit langsam von seinem Bruder. Von 1820 bis 1822 hielt er sich in Lausanne auf und ging von dort bis Herbst 1823 zum Studium nach Göttingen. Diese Zeit des Lernens und Erwach­sen­wer­dens prägte ihn. Als besonders glücklich beschrieb er später jedoch die Zeit des preußi­schen Militär­dienstes, den er gern absol­vierte. Eine militä­ri­sche Laufbahn war typisch für nachge­bo­rene Söhne, so dass Wilhelm diesen Lebensweg wie selbst­ver­ständ­lich annahm. Während sein Bruder Karl bei Volljäh­rig­keit Nachfolger des Vaters werden sollte, kam Wilhelm mit dieser Aussicht gut zurecht. Er wurde 1821 zum Rittmeister im Garde-Husaren-Regiment Hannover ernannt, bis 1828 wurde er Major.

1830 ereig­neten sich aller­dings Ereig­nisse, die das Leben Wilhelms grund­le­gend verän­derten: Sein in der Bevöl­ke­rung ungeliebter Bruder Karl floh bei Aufständen aus Braun­schweig. Wilhelm sollte nachrü­cken. Ein Konflikt entstand zwischen dem geliebten, aber unglei­chen Bruder und der Verpflich­tung für das Herzogtum. Wilhelm hatte keine Wahl, wählte aber schließ­lich doch bewusst letzteres. Als Karl 1830 aus Braun­schweig floh, übernahm er dessen Platz. Dieser Bruch mit dem Bruder muss gleich­zeitig hart und erlösend gewesen sein und Wilhelm fügte sich schnell in seine neue Rolle hinein. Erst 1831 wurde Karl aber durch den Deutschen Bund als regie­rungs­un­fähig erklärt, so dass Wilhelm legitimer Nachfolger wurde. Da Karl aller­dings nie auf den Thron verzich­tete, muss seine Regent­schaft – zumindest emotional – für Wilhelm immer eine Zwischen­lö­sung gewesen sein. Es gibt Vermu­tungen, dass er aus diesem Grund nie heiratete. Für seine Nachfolger wäre die Thron­folge ungeklärt gewesen.

Trotz dieser schwie­rigen Hinter­gründe entwi­ckelte sich Wilhelm zu einem beliebten und umsich­tigen Regenten. Die Neue Landschafts­ord­nung von 1832 macht diesen Unter­schied zu seinem Bruder besonders deutlich. Doch auch das Militär spielte für ihn weiterhin immer eine Rolle und in den 40er Jahren hatte er Positionen als General­major und General­leut­nant seines alten Regiments inne und später als General der Kaval­lerie. Des Weiteren wurde er Hanno­ver­scher Feldmar­schall und Chef des Öster­rei­chi­schen K + K Dragoner Regiments Nr. 7 sowie schließ­lich des Kgl. Hanno­ver­schen Garde-Kürassier-Regiments.

Die stabile Regie­rungs­zeit Wilhelms fand seine Krönung im goldenen Thron­ju­bi­läum 1881. 1884 verstarb er in Schloss Sibyl­lenort im Herzogtum Oels, in das er sich gern zurück­ge­zogen hatte.

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