Sommer­zeit ist hierzu­lande Jahrhun­derte alt

Sonnenuhren am Dom. Foto: Thomas Ostwald
Sonnenuhren am Dom. Foto: Thomas Ostwald

Braun­schweigs skurrile Ecken und andere Merkwür­dig­keiten, Folge 45: Carl I. wollte wertvolles Kerzen­wachs sparen.

Die Sommer­zeit hat in Braun­schweig eine viel längere Tradition, als viele glauben.  Auf die Idee, das Tages­licht besser zu nutzen, kamen nicht erst deutsche Politiker angesichts der Ölkrise 1973, sondern auch schon Carl I. (1713–80), Herzog von Braun­schweig und Lüneburg. Er empfahl seinen Bürgern, im Sommer die Uhr eine Stunde vorzu­stellen. Auch damals ging es gewis­ser­maßen um Energie: Die Kerzen sollten abends nicht so lange brennen und wertvolles Wachs für die düsteren Winter­mo­nate gespart werden.

Man stelle sich das im 18. Jahrhun­dert einmal vor! Einen „Regulator“, also eine aufzieh­bare Uhr, konnten sich damals nur die aller­we­nigsten leisten. Also mussten die Sonnen­uhren die Zeit für die überra­gende Mehrzahl der Bürge­rinnen und Bürger angeben. Noch heute befinden sich auf der Südseite des Domes vier davon. Skurril, dass es gleich vier Stück an quasi ein und derselben Stelle gibt. Schauen wir doch einmal genauer hin.

Zunächst fällt allen die prächtige und berühmte Sonnenuhr am südlichen Turm ins Auge. Vor ihr stehen wohl alle Braun­schweig-Touristen, die sich für eine Stadt­füh­rung entschieden haben. Sie stammt aus dem Jahr 1718 und ist eine so genannte Tafel­son­nenuhr, die vermut­lich von Franz Ernst Müller gefertigt wurde. Es gibt aller­dings auch verein­zelt Hinweise, dass sie durch den Augsburger Kunst­tischler Georg Hertel gebaut worden sein könnte.

Diese Sonnenuhr jeden­falls zeigt nicht nur die Stunden mit römischen Ziffern an, sondern auch durch die Winkel­striche am Außenrand die Viertel­stunden. Außerdem zeigt der schat­ten­wer­fende Polstab durch einen kleinen Knauf zusätz­lich die Jahres­zeiten und Tierkreis­zei­chen an. Angefer­tigt wurde diese prächtige Uhr ursprüng­lich für die Braun­schweiger Münze am Kohlmarkt.

Nur ein Stück weiter entdeckt man eine weitere Sonnenuhr im Giebel der Seiten­ka­pelle des Doms. Sie stammt aus dem Jahr 1516 und wurde als Kreis ausge­führt. Im Gegensatz zu den weiteren Sonnen­uhren, die wir erkennen, wenn unser Blick auf den dritten und fünften Strebe­pfeiler des Südschiffes fällt. Diese beiden Sonnen­uhren sind als Halbkreise ausge­führt und stammen aus den Jahren 1334 und 1346. Aus welchem Grund wurden so viele Uhren angebracht?

Genaues ist nicht bekannt, wahrschein­lich stammen die in Stein geschla­genen Sonnen­uhren von Stiftern, die sich damit für etwas bedanken wollten – jeden­falls scheint mir das eine vernünf­ti­gere Lösung zu sein als der Gedanke, dass wir Braun­schweiger selten einer einfachen Vorgabe trauten und uns lieber rückver­si­cherten. Die beiden späteren Uhren kamen im Zuge des Fortschritts hinzu. Sie waren moderner, hingen höher, wurden später beschattet. Die letzte Version war zudem deutlich reprä­sen­ta­tiver und auch erheblich infor­ma­tiver.

Nicht überlie­fert ist, ob die damalige Sommer­zeit in der Bevöl­ke­rung ähnlich unbeliebt war wie die heutige, die ja in einer EU-Umfrage von mehr als 80 Prozent der Teilnehmer abgelehnt wurde. Seit 1996 gibt es eine einheit­liche EU-weite Regelung mit der Sommer­zeit von Ende März bis Ende Oktober.  Das neuer­liche Aus wird nun für das Jahr 2020 erwartet. Erstmals gab es in Deutsch­land während des Ersten Weltkrieges von 1916 bis 1918 eine Umstel­lung auf Sommer­zeit. Während des Zweiten Weltkriegs galt sie erneut  von 1940 bis 1945. In den Nachkriegs­jahren bis 1949 bestimmten die Sieger­mächte, wann in ihren Besat­zungs­zonen die Zeit umgestellt wurde. 1950 wurde die Sommer­zeit wieder abgeschafft. Bis zur Ölkrise …

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