Eine blendende Visiten­karte für Braun­schweig

Der „neue“ Schlossplatz. Foto: Dieter Heitefuß

Braun­schweigs Plätze, Folge 4: Der „neue“ Schloss­platz präsen­tiert sich als großzü­giges und attrak­tives urbanes Zentrum.

Mit der Rekon­struk­tion des Residenz­schlosses entstand auch der neue Schloss­platz. Die Stadt erhielt mit Schloss und Schloss­platz nicht nur eine neue Mitte, sondern auch ein bis 2007 ungeahntes großstäd­ti­sches Flair. Wenn es eines erneuten Belegs bedürfte, hätte dafür das vergan­gene Wochen­ende gelten können: Mit Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) traten gleich zwei Kanzler­kan­di­daten vor dem Schloss auf und warben um Wähler­stimmen für die Bundes­tags­wahl am 26. September. Von Willy Brandt über Helmut Kohl bis Angela Merkel hatten Spitzen­po­li­tiker ihre Auftritte unter freiem Himmel zuvor oft auf dem Burgplatz geplant. Auch das ist ein Indiz für die hervor­ge­ho­bene Bedeutung des Schloss­platzes für das junge Braun­schweig.

Olaf Scholz nutzte den „Grünen Saal“ des Schlossmuseums zum Aufenthalt vor seiner Rede auf dem Schlossplatz. Foto: Andreas Greiner-Napp
Olaf Scholz nutzte den „Grünen Saal“ des Schloss­mu­seums zum Aufent­halt vor seiner Rede auf dem Schloss­platz. Foto: Andreas Greiner-Napp

Wieder Teil des Stadt­raums

„Nach Fertig­stel­lung der Schloss-Arkaden wurde auch der gesamte Freiraum mit Schloss­platz, Bohlweg und Platz am Ritter­brunnen neuge­staltet. Der bisher ausschließ­lich von den Erfor­der­nissen des Verkehrs geprägte Bohlweg mit seinen Absper­rungen ist seitdem verkehrs­be­ru­higt und somit wieder Teil des Stadt­raums. 2008 konnten die beiden Reiter­stand­bilder wieder an ursprüng­li­cher Stelle platziert werden. Die angestrebte Sanierung der Nachkriegs­fas­saden am Bohlweg ist bisher aller­dings ausge­blieben. Heute präsen­tiert sich der Schloss­platz als großzü­giges und attrak­tives urbanes Zentrum“, meint der renom­mierte Bauhis­to­riker und Stadt­teil­hei­mat­pfleger Innen­stadt Elmar Arnhold.

Gemeinsam mit ihm stellt „Der Löwe – das Portal für das Braun­schwei­gi­sche“ Braun­schweigs Innen­stadt-Plätze in monat­li­cher Folge vor. Die Serie basiert auf dem von ihm verfassten und von der Richard Borek Stiftung heraus­ge­geben Buch „Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart“ (s.u.). Anlass für das Buch waren die Umgestal­tungs­pläne für den Hagen­markt. Heraus­ge­kommen ist ein attrak­tives Standard­werk.

Ehrenhof als Vorläufer

Eine Art Schloss­platz war bereits im Zuge des Baus der Schloss­an­lage „Grauer Hof“ (1717 – 1754) entstanden. „Mit der Schräg­stel­lung der außer­or­dent­lich langge­streckten Außen­flügel und der Höhen­staf­fe­lung ergab sich eine große Tiefen­wir­kung und eine geschickte Einord­nung in den klein­tei­ligen Stadt­or­ga­nismus. So öffnete sich der um die 100 Meter tiefe Ehrenhof zum Bohlweg in beein­dru­ckender Perspek­tive, beschreibt Arnhold.

Nach dem Brand des „Grauen Hofes“ durch Brand­stif­tung in der Nacht vom 7. auf den 8. September 1830 entstand nach Plänen des Baumeis­ters Carl Theodor Ottmer bis 1841 der Dreiflü­gelbau der Residenz mit der heute wieder sicht­baren, rekon­stru­ierten Fassade und dem ersten echten Schloss­platz davor. Der Schloss­platz war damals aller­dings unbefes­tigt und mit einem Gitter­zaun vom Bohlweg abgetrennt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun­derts entstanden gegenüber reprä­sen­ta­tive Gründer­zeit­bauten, die die meisten der vorher dort stehende klein­tei­ligen Fachwerk­häuser ersetzten.

Der „alte“ Schlossplatz. Foto: Archiv
Der „alte“ Schloss­platz. Foto: Archiv

Nazis, Abriss, Rekon­struk­tion

Es folgten auch für den Schloss­platz bewegte Jahre: Im Zuge der Novem­ber­re­vo­lu­tion dankte Herzog Ernst August am 8. November 1918 ab. 1931 waren 100.000 Nazis auf den Schloss­platz zu einer Macht­de­mons­tra­tion gekommen. 1933 fand die unsäg­liche Bücher­ver­bren­nung auf dem Schloss­platz statt. Seit 2010 erinnert daran eine Gedenk­platte. 1935 zog eine SS-Junker­schule ins Schloss ein, bis die Bomben­an­griffe des Zweiten Weltkriegs das Quartier um das Schloss zerstört hatten. „Die ehemalige Residenz erhielt Volltreffer und brannte weitge­hend aus. Die Grund­sub­stanz blieb jedoch großen­teils erhalten“, schreibt Bauhis­to­riker Arnhold in seinem Buch.

Dessen ungeachtet wurde das beschä­digte Schloss 1960 dem Erdboden gleich­ge­macht. Damit verschwand auch der Schloss­platz bis auf weiteres aus dem Stadtbild. An seine Stelle wurde eine Grünfläche gerückt, die vollmundig Schloss­park genannt wurde. Erst 2004 fiel der Beschluss, die Rekon­struk­tion des Schlosses doch zu wagen. Es gelang mit dem angren­zenden Einkaufs­zen­trum Schloss-Arkaden. Weil beim Abriss vor allem Teile des Portikus numme­riert und einge­la­gert worden waren, konnten eine große Anzahl von Origi­nal­steinen wieder genutzt werden und die Authen­ti­zität der Rekon­struk­tion (2005 – 2007) erhöht werden.

Erfolgs­mo­dell „Kultur­schloss“

Heute ist der Schloss­platz ein zentraler und lebhafter Ort. Das liegt nicht zuletzt am Erfolgs­mo­dell des „Kultur­schlosses“, an der der jüngst verstor­bene Wolfgang Sehrt als einstiger CDU-Frakti­ons­vor­sit­zender großen Anteil hatte. Stadt­bi­blio­thek, Stadt­ar­chiv, städti­scher Fachbe­reich Kultur, Veran­stal­tungs­raum „Roter Saal“ und Schloss­mu­seum sind wichtige Anzie­hungs­punkte, die über den Schloss­platz zu erreichen sind. Er ist zu dem beliebten Treff­punkt für junge Leute und Familien geworden. Er ist ein Ort für Großver­an­stal­tungen vom Gospel­kir­chentag bis zu Eintrachts Aufstiegs­feiern. Vor allem aber ist er eine attrak­tive Visiten­karte für die Großstadt Braun­schweig.

Fakten:

Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart
128 Seiten
Heraus­geber: Richard Borek Stiftung
Autor, Inhalt und Gestal­tung: Elmar Arnhold
Herstel­lung: Druckerei Häuser KG, Köln
ISBN 978–3‑9823115–0‑0
Preis: 12,90 Euro

 

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