„Einfache Sprache ist schwer“

Museumsleiterin Helga Berendsen vor der Büste von Baumeister Carl Theodor Ottmer (1800-1843), zu dessen bedeutendsten auch das Braunschweiger Residenzschloss zählte. Foto: Schlossmuseum Braunschweig

Das Schloss­mu­seum hat seine schrift­liche Führung durch die Dauer­aus­stel­lung recht­zeitig zu den Special Olympics Landes­spielen barrie­re­frei umfor­mu­liert.

Was ist ein Thron? Was ist ein Wappen? Und wie beschreibt man das so, dass es jeder verstehen kann? Recht­zeitig zu den Landes­spielen Special Olympics Nieder­sachsen (9.–11. Mai) hat das Schloss­mu­seum Braun­schweig die schrift­liche Beschrei­bung zum Rundgang durch die Dauer­aus­stel­lung in „einfacher Sprache“ formu­liert. Es liegen entspre­chende Versionen neben deutschen und engli­schen Ausfüh­rungen für Besucher bereit. Eine Beurtei­lung durch die Lebens­hilfe Braun­schweig steht noch aus.

Das Festival-Dorf der Landes­spiele ist auf dem Schloss­platz aufgebaut. Dort werden Mitma­ch­an­ge­bote und eine Showbühne, auf der inklu­siven Bands auftreten, geboten. Robin Amaize, Kapitän der Basket­ball-Löwen Braun­schweig, ist einer der Botschafter für die Landes­spiele. An den Landes­spielen Nieder­sachsen der Special Olympics nehmen Menschen mit geistiger und mehrfa­cher Behin­de­rung teil. Erwartet werden in Braun­schweig rund 1.000 Teilneh­me­rinnen und Teilnehmer. Wettbe­werbe wird es in Braun­schweig in den Sport­arten Leicht­ath­letik, Schwimmen, Fußball, Boccia, Handball, Badminton, Tennis, Tisch­tennis, Judo, Segeln und Golf geben.

Barrie­re­frei­heit auch inhalt­lich

„Wir freuen uns, wenn Athle­tinnen und Athleten den Weg zu uns ins Museum finden und unsere Dauer­aus­stel­lung besuchen. Die Special Olympics waren für uns der Anlass, unsere Infor­ma­tionen auch in einfacher Sprache bereit­zu­stellen. Barrie­re­frei­heit ist grund­sätz­lich unser Ziel. Das betrifft eben nicht nur die räumli­chen, sondern auch die inhalt­li­chen Voraus­set­zungen“, erläutert Helga Berendsen, die Leiterin des Schloss­mu­seums. Die schrift­liche Beschrei­bung zum Rundgang durch die Dauer­aus­stel­lung in „einfacher Sprache“ könnte auch Koope­ra­tionen mit regio­nalen Einrich­tungen für Menschen mit geistiger und mehrfa­cher Behin­de­rung ermög­li­chen.

Die Kunst­his­to­ri­kerin Maria Heise und Stefania Ratsch, die ihr Freiwil­liges Soziales Jahr im Schloss­mu­seum absol­viert, setzten sich daran, das Handout sprach­lich zu entschla­cken. Bei der einfachen Sprache geht es vor allem darum, kompli­zierte Satzstruk­turen und schwie­rige Worte oder Fremd­wörter zu vermeiden. „Einfache Sprache ist ganz schön schwer. Beim Formu­lieren wird einem erst bewusst, was es beispiels­weise bedeutet, auf Neben­sätze oder Worte, die wir wie selbst­ver­ständ­lich im Wortschatz haben, verzichten zu müssen“, sagt Museums­lei­terin Helga Berendsen.

Auch die Tafel mit der Ausdeh­nung des Herzog­tums Braun­schweig ist Teil der Rundgangs-Beschrei­bung in einfacher Sprache. Foto: Schloss­mu­seum Braun­schweig

Der Text zum regulären Dauer­au­stel­lungs-Rundgang umfasst 1718 Wörter, der in leichter Sprache dagegen lediglich 610. „Wir haben uns entschieden, die ausführ­li­chen Gemäl­de­er­klä­rungen in den einzelnen Räumen wegzu­lassen und haben statt­dessen auf einzelne Möbel oder Teppiche hinge­wiesen“, erklärt Helga Berendsen die Vorge­hens­weise.

Der Text zur Galerie lautet in einfacher Sprache so:

„Der Besuch im Museum beginnt im Galerie·Flur. Eine Galerie ist ein Raum in dem Bilder hängen. Diese Bilder sind etwas Beson­deres. Sie können geöffnet werden. Hier sind Infor­ma­tionen über die Herzöge aus Braun­schweig zu sehen.

Tafel 1 zeigt den großen Stamm·Baum der Herzöge aus Braun­schweig. In einem Stamm·Baum sind alle Namen einer Familie aufge­schrieben. Der Stamm·Baum zeigt die Eltern und Kinder der Herzöge und zu welcher Zeit sie gelebt haben.

Tafel 2 zeigt eine Karte von dem großen Herzogtum Braun­schweig. Ein Herzogtum ist ein Gebiet, das den Herzögen vor langer Zeit gehört hat.

Tafel 3 zeigt wichtige Gebäude im Herzogtum Braun­schweig.“

Zum Vergleich hier der Origi­nal­text:

Zum Einstieg erhalten Sie hier auf vier großfor­ma­tigen Tafeln einige Infor­ma­tionen über die Welfen und das Herzogtum Braun­schweig. Auf der Stamm­tafel finden Sie den bekann­testen Vertreter der Welfen Heinrich den Löwen – in der dritten Spalte links. Der berühmte Welfen­herzog, der Braun­schweig zu seiner Residenz machte und damit die Entwick­lung der Stadt voran­trieb, ließ den Braun­schweiger Löwen errichten, der heute das Wahrzei­chen der Stadt ist. Herzöge und Herzo­ginnen, deren Porträts Sie in unserer Ausstel­lung noch sehen werden, sind auf der Stamm­tafel durch Bilder hervor­ge­hoben.

Die zweite große Tafel zeigt die Ausdeh­nung des Herzog­tums Braun­schweig um 1850. Sie können hier feststellen, dass es sich beim Gebiet des Herzog­tums nicht um eine geschlos­sene Fläche handelte, sondern um mehrere – teils sogar im Harz gelegene – Gebiete. Abgebildet sind hier außerdem Gebäude, von denen einige noch erhalten sind. Gebäude der herzog­li­chen Verwal­tung im Stadt­be­reich Braun­schweigs finden Sie auf der dritten Tafel.

Auf der gegen­über­lie­genden Wand infor­miert die vierte Tafel über die Familie der Welfen nach dem Ende der Monarchie. Hier können Sie zum Beispiel erfahren, wie das letzte Braun­schwei­gi­sche Herzogs­paar, Ernst August und Victoria Luise, mit dem heutigen spani­schen Königs­haus verwandt ist.

Die Wettbe­werbe der Landes­spiele finden auf der Bezirks­sport­an­lage Rüningen (Fußball, Leicht­ath­letik, Boccia), in der Wasser­welt (Schwimmen), in der Grund- und Haupt­schule Rüningen (Tisch­tennis), beim BTHC (Tennis), beim BJC (Judo), in der Sport­halle Gülden­straße (Badminton), beim Segler-Verein (Segeln) und beim Golf Club Braun­schweig (Golf) statt. Die Abschluss­feier auf dem Schloss­platz ist für den 11. Mai um 14 Uhr termi­niert.

Fakten

Special Olympics ist die weltweit größte Sport­be­we­gung für Menschen mit geistiger und mehrfa­cher Behin­de­rung. Special Olympics wurde 1968 in den USA durch Eunice Kennedy-Shriver gegründet. Das Ziel von Special Olympics ist es, Menschen mit geistiger Behin­de­rung durch den Sport zu mehr Anerken­nung, Selbst­be­wusst­sein und letztlich zu mehr Teilhabe an der Gesell­schaft zu verhelfen. Special Olympics versteht sich als Inklu­si­ons­be­we­gung. Heute ist Special Olympics mit mehr als fünf Millionen Athle­tinnen und Athleten in 174 Ländern vertreten. Special Olympics Deutsch­land (SOD) ist die deutsche Organi­sa­tion. In Deutsch­land gibt es derzeit mehr als 40.000 Athle­tinnen und Athleten. Im Juni 2023 finden in Berlin die
Special Olympics World Games statt. Die Special Olympics World Games werden das größte Multi-Sport-Event in Deutsch­land seit den Olympi­schen Spielen 1972 in München.

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