Hohn und Spott für das junge Herzogs­paar

Ernst August und Victoria Luise werden bei ihrer Ankunft in Braunschweig von Braunschweigs Oberbürgermeister Hugo Retemeyer begrüßt. Foto: Stadtarchiv
Ernst August und Victoria Luise werden bei ihrer Ankunft in Braunschweig von Braunschweigs Oberbürgermeister Hugo Retemeyer begrüßt. Foto: Stadtarchiv

Braun­schwei­gi­sche Geschichte(n), Folge 17: Am 1. November 1913 übernahmen Ernst August und Victoria Luise nach fast drei Jahrzehnten wieder die legale Thron­folge in Braun­schweig.

Am 15. November 1913 erschien in der Zeitschrift „Der Wahre Jacob“ ein  satiri­sches Gedicht, das aus Anlass der welfisch-hohen­zol­lern­schen Thron­be­stei­gung in Braun­schweig die politi­schen Hinter­gründe ironisch aufspießte:

„Es lagen Löw‘ und Adler
seit langem scharf im Streit,
doch Wunder über Wunder
bald endete das Leid.

Es tanzten flott die beiden
auf grünem Wiesen­plan
den aller­neusten Tango
mit preußi­schem Elan.

Vergeb­lich grollt der Schwager,
vollendet war die Tat -
vom Schadchen Bethmann-Hollweg
mit seinem Bundesrat.“

Das Spott­ge­dicht lässt erkennen, wie heftig und teilweise unsach­lich die öffent­li­chen Reaktionen auf die Eheschlie­ßung von Prinzessin Victoria Luise mit dem Welfen­prinzen Ernst August gewesen sind. Alte Wunden zwischen Hannover und Preußen wurden ebenso wieder aufge­rissen, wie die braun­schwei­gi­sche Thron­fol­ge­frage zu einem zentralen Problem dieser Ausein­an­der­set­zung aufge­bauscht. Tatsäch­lich jedoch war nichts anderes geschehen, als dass mit der Übernahme des braun­schwei­gi­schen Thrones am 1. November 1913 durch Ernst August, Herzog zu Braun­schweig und Lüneburg, nach fast drei Jahrzehnten wieder die legale Thron­folge in Braun­schweig umgesetzt wurde.

Dennoch fand dieses Ereignis bei den hanno­ver­schen Welfen und in der inter­na­tio­nalen Presse heftigen Wider­spruch, ja sogar Hohn und Spott wurden über das junge Paar ausge­schüttet. Doch was war eigent­lich so politisch aufregend an einer Adels­hoch­zeit in einer Zeit, da die Monarchie längst im Fokus der gesell­schaft­li­chen Kritik stand und die Mehrheit der Gesell­schaft eher an wirtschaft­li­chen und sozialen Existenz­fragen inter­es­siert schien, als am „Glanz der Krone“?

 

Verfein­dete Dynastien

Belastung Tatsäch­lich müssen die braun­schwei­gi­sche Thron­folge durch den hanno­ver­schen Welfen­prinz Ernst August und die Hohen­zol­lern­prin­zessin Victoria Luise sowie die Hochzeit vom 24. Mai 1913 stets vor dem Hinter­grund des jahrzehn­te­langen Konfliktes zwischen den hanno­ver­schen Welfen und Preußen gesehen werden. Die Unver­söhn­lich­keit dieser beiden Dynastien bedeutete von Anfang an eine ernst­hafte Belastung für die Ehe zwischen zwei Menschen, die zufällig den beiden lange verfein­deten Herrscher­häu­sern in Deutsch­land angehörten.

Dieser Konflikt schwelte trotz des erzwun­genen Exils der Hanno­ve­raner in Gmunden/Österreich weiter, wollten doch die Hanno­ve­raner dieses „Ende mit Schrecken“ nicht hinnehmen. König Georg V. von Hannover hatte bewusst Öster­reich als Exilland gewählt, wollte er doch in der Nähe seines „Waffen­ge­fährten“ des öster­rei­chi­schen Kaisers Franz Joseph I. sein Exil aufschlagen. Er hatte daher eine Einladung von Herzog Wilhelm von Braun­schweig, in Blanken­burg – also auf welfi­schem Boden – zu residieren hochmütig ausge­schlagen.

Braun­schweig blieb eigen­ständig

Die welfisch-hohen­zol­lern­sche Krise im deutschen „Bruder­krieg“ von 1866 endete zwar formell mit der Annexion Hannovers, aber das welfische Braun­schweig blieb in seiner Eigen­staat­lich­keit unberührt. Herzog Wilhelm hatte sich – anders als sein hanno­ver­scher Verwandter Georg V. – zunächst neutral verhalten und sich nicht auf die Seite Öster­reichs gestellt. In letzter Minute war er noch der preußi­schen Allianz beigetreten. Dennoch blieb die politi­sche Ungewiss­heit gegenüber dem dominanten Nachbarn Preußen und seinen Begehr­lich­keiten in Norddeutsch­land, vor allem im Falle der Thron­folge beim Tod des kinder­losen braun­schwei­gi­schen Herzogs (1884).

Nach dem welfi­schen Hausge­setz sollte die Nachfolge an die jüngere Linie des welfi­schen Gesamt­hauses, also an die gerade aus ihrem Land vertrie­bene hanno­ver­sche Dynastie übergehen, so sah es auch das braun­schwei­gi­sche Staats­grund­ge­setz, die „Neue Landschafts­ord­nung“ vom 12. Oktober 1832 im Paragra­phen 14, vor. Er bestimmte die Regie­rungs­erbfolge, nach der die jüngere Welfen­linie beim Aussterben der älteren Linie erbbe­rech­tigt war. So wurde Welfen­prinz Ernst August völlig zu Recht Herzog zu Braun­schweig und Lüneburg. Die braun­schwei­gi­sche Bevöl­ke­rung bejubelte das neue Herrscher­paar bei seiner Ankunft. Hohn und Spott wie in dem Gedicht des „Wahren Jacobs“ verhallten in der Residenz­stadt Braun­schweig wirkungslos. Das Paar regierte bis zur Novem­ber­re­vo­lu­tion 1918 und dem Ende der Monarchie.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

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