Ein Gewinn für die Städte

Das mit vielen Originalteilen wieder aufgebaute Residenzschloss mit der mächtigen Quadriga ist der Mittelpunkt Braunschweigs. Foto: Stadtmarketing/Steffen
Das mit vielen Originalteilen wieder aufgebaute Residenzschloss mit der mächtigen Quadriga ist der Mittelpunkt Braunschweigs. Foto: Stadtmarketing/Steffen

Neue Mitte in Berlin wie in Braun­schweig durch Wieder­aufbau des Schlosses, aber hier wie da ist innen keine Origi­na­lität möglich.

Bei einer eindrucks­vollen Veran­stal­tung im vollbe­setzten Foyer des Landes­mu­seums zeigte sich erneut viel an Überein­stim­mung zwischen Berlin und Braun­schweig in Sachen Wieder­aufbau der jewei­ligen Schlösser. Und zugleich wurden die Unter­schiede deutlich. Gemeinsam gilt für beide Städte, dass der jeweilige Wieder­aufbau ein großer städte­bau­li­cher und politi­scher Gewinn für die jeweilige Stadt ist oder sein wird. Darin stimmten der Präsident der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz, Dr. Gert Hoffmann, und der Initiator des Wieder­auf­baus des Berliner Schlosses und Geschäfts­führer des Förder­ver­eins Berliner Schloss e. V., Wilhelm von Boddien, überein.

Im Landes­mu­seum ist bis zum 19. April die Wander­aus­stel­lung „Was für ein Schloss! Das Berliner Schloss – Humboldt­forum“ zu sehen und wird bei den schloss­be­geis­terten Braun­schwei­ge­rinnen und Braun­schwei­gern auf große Resonanz stoßen.

Dr. Heike Pöppel­mann, Direk­torin des Landes­mu­seums, stellte in ihrer Begrüßung zur Ausstel­lung den Zusam­men­hang von Geschichts­be­wah­rung und archi­tek­to­ni­scher Rekon­struk­tion her. Für sie sind wieder aufge­baute Stadt­schlösser wie in Braun­schweig oder künftig auch in Berlin, Depots gebauter Erinne­rung.

Die Museums­di­rek­torin rückte auch bürger­schaft­li­ches und Stiftungs­en­ga­ge­ment für Schlösser in den Fokus. Sie benannte dafür als Beispiele die Finan­zie­rung der Quadriga auf dem Braun­schweiger Schloss durch die Richard Borek Stiftung, die große Spenden­be­reit­schaft aus der Bevöl­ke­rung für die Fassa­den­re­kon­struk­tion des Berliner Stadt­schlosses. Die Rekon­struk­tion in Berlin mit dem Humboldt-Forum nannte Dr. Pöppel­mann das gegen­wärtig aufre­gendste Kultur­pro­jekt Deutsch­lands.

Der frühere Braun­schweiger Oberbür­ger­meister, Dr. Gert Hoffmann, erinnerte an die heftige Kontro­verse in Bezug auf die Braun­schweiger Rekon­struk­tion und den großen Wider­stand, den er zunächst zu überwinden hatte. Heute sei das Residenz­schloss aus der Mitte der Stadt gar nicht mehr wegzu­denken. Seiner­zeit habe Wilhelm von Boddien der Braun­schweiger Debatte gute Impulse und Ratschläge gegeben. Auf ihn ist die Anregung zurück­zu­führen, nur wenig Kaufhaus in das Schloss zu bringen und statt­dessen mehr öffent­liche Nutzungen und auch einige origi­nal­ge­treue Räume. Daraufhin habe er zusammen mit den Braun­schweiger Schloss­freunden die Unter­brin­gung von Stadt­bi­blio­thek, Stadt­ar­chiv, Öffent­li­cher Bücherei und Kultur­in­stitut initiiert. Das habe bekannt­lich die mittler­weile sehr hohe Akzeptanz des Welfen­schlosses in Braun­schweig gefördert, so Dr. Hoffmann.

Von der anhaltend kontro­versen Debatte auch in Berlin, berich­tete von Boddien in seinem infor­ma­tiven und unter­halt­samen Vortrag. Von Boddien erläu­terte ausführ­lich die Konzep­tion des „Humboldt-Forums“ und war sich sicher, dass Schloss und Humboldt-Forum von 2019 an wieder der Mittel­punkt Berlins sein werden und der Stadt endlich ihr „Gesicht zurück­ge­geben“ werde. Bekannt­lich hatte die SED das kriegs­be­schä­digte Schloss 1950 abreißen lassen und an seine Stelle den „Palast der Republik“ gesetzt. Der aber ist längst abgerissen, und mittler­weile Platz gemacht für das schon dem Richtfest entgegen strebende neue, alte Berliner Schloss.

Von Boddien räumte ein, dass es auch in Berlin ein Tauziehen zwischen den dortigen Schloss­freunden und den Finan­ziers (in diesem Falle Bund und Land) um äußere Gestalt und inneres Aussehen gegeben habe. Man habe auch seitens des Förder­ver­eins Kompro­misse eingehen und auf histo­ri­sie­rende Räume wie im Braun­schweiger Schloss­mu­seum verzichten müssen. Späteren Genera­tionen jedoch sei in diesem Punkt ein Nachholen möglich.

Auch Dr. Hoffmann hatte an Kompro­misse zwischen der Stadt und dem Braun­schweiger Finanzier (ECE) erinnert. Als eine „schmerz­hafte Folge“ damaliger Kompro­misse sehe er seit langem den Eingangs­be­reich hinter dem Portikus an. Es wäre sehr wünschens­wert, wenn dieser mittel­fristig auch einmal wieder in Richtung einer weitge­hend origi­nal­ge­treuen Rekon­struk­tion umgebaut werden könnte. Dazu bedürfe es aber wie in Berlin privater Förderer, bürger­schaft­li­chen Engage­ments und auch öffent­li­cher Mittel. In Braun­schweig wie in Berlin sei gewiss das letzte Wort über die endgül­tige Gestalt der jewei­ligen Schlösser in der Geschichte noch nicht gespro­chen.

Info: http://berliner-schloss.de/

Ausstel­lung: Braun­schwei­gi­sches Landes­mu­seum vom 26. März bis 19. April 2015, Burgplatz 1, 38100 Braun­schweig, Eintritt frei

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