Straßen­bahn fährt mitten über die Grünfläche

Der „Kleine“ Lessingplatz mit dem Lessing-Denkmal. Foto: Thomas Oswald
Der „Kleine“ Lessingplatz mit dem Lessing-Denkmal. Foto: Thomas Oswald

Braun­schweigs Plätze, Folge 2: Der zweige­teilte Lessing­platz verlor durch Zugeständ­nisse an den Verkehr gleich zweimal seinen ursprüng­li­chen Charme.

Das sogenannte Braun­schweiger Tangen­ten­viereck kommt einem eigent­lich immer nur dann in den Sinn, wenn es um zu viel Autover­kehr geht, um Brüche im europa­weit nahezu einma­ligen Wallring und um den Wieder­aufbau der Stadt nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Ziel, eine möglichst autoge­rechte, „ameri­ka­ni­sierte“  Stadt quasi ohne Rücksicht auf Verluste zu schaffen. Die heute zweige­teilte, aber in Gänze als Lessing­platz bezeich­nete Platz­an­lage im Süden der Innen­stadt hat auch unter dem zu leiden, was sich Stadt­planer nach 1945 für Braun­schweig ausdachten. Am Lessing­platz kostet eine trennende, inner­städ­ti­sche „Autobahn“ das einst so schlüs­sige Ensemble, das über die Bruchtor-Promenade vom Westen aus und über die Augusttor-Promenade vom Osten aus für Flaneure erreichbar war. Heute rauscht da der Verkehr vom John‑F.Kennedy-Platz bis zum Friedrich-Wilhelm-Platz und über die Konrad-Adenauer Straße nicht minder heftig zurück.

Keine Aufent­halts­qua­lität

„Im Zweiten Weltkrieg blieb die Bebauung beider Platz­ab­schnitte weitge­hend unbeschä­digt. Im Zuge des Ausbaus des inner­städ­ti­schen Tangen­ten­vier­ecks für den Indivi­dualverkehr konnte die Platzform grund­sätz­lich beibe­halten werden. Zwischen den beiden Straßentras­sen verblieb eine ovale Rasen­fläche mit annähernd symme­tri­schem Baumbe­wuchs. Der Straßen­ver­kehr ist um die Grünfläche herumgelei­tet. Diese lädt aufgrund des starken Verkehrs­auf­kom­mens und der dort verlau­fenden Straßen­bahn­gleise je­doch nicht zum Aufent­halt ein“, bilan­ziert der renom­mierte Bauhis­to­riker und Stadt­teil­hei­mat­pfleger Innen­stadt Elmar Arnhold.

Gemeinsam mit ihm stellt „Der Löwe – das Portal für das Braun­schwei­gi­sche“ Braun­schweigs unbekann­tere Innen­stadt-Plätze in monat­li­cher Folge vor. Die Serie basiert auf dem von ihm verfassten und von der Richard Borek Stiftung heraus­ge­geben Buch „Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart“ (s.u.). Anlass für das Buch waren die Umgestal­tungs­pläne für den Hagen­markt. Heraus­ge­kommen ist ein attrak­tives Standard­werk. „Die in der mittel­al­ter­li­chen Stadt­struktur gründende Vielzahl histo­rischer Platz­an­lagen ist als einzig­artig in der deutschen Städte­land­schaft zu bewerten“, urteilt Arnhold über „sein“ Braun­schweig.

Lessing­platz seit 1858

Am 29. September 1853 wurde am Lessing­platz das vom Dresdner Bildhauer Ernst Rietschel entwor­fene Denkmal für Gotthold Ephraim Lessing enthüllt. Gegossen hat die 2,60 Meter hohe Bronze­figur der Braun­schweiger Georg Howaldt.  Die Fläche rund um das Denkmal hieß dennoch bis 1858 weiter „Hinter Aegidien“, erst dann erfolgte die Umbenen­nung in „Lessing­platz“. Der weitaus größere, südli­chere Teil des Platzes wurde 1881 in „Sieges­platz“ umgetauft. Zuvor war er als „Am Gänse­winkel“ und von 1846 an wegen seiner Funktion als Veran­stal­tungsort für Jahrmärkte als „Tummel­platz“ bezeichnet worden.

Germania auf dem Sieges­platz

Der Sieges­platz sollte an den erfolg­rei­chen Deutsch-Franzö­si­schen Krieg von 1870/71 erinnern. Im Zentrum wurde die Skulptur der Germania aufge­stellt, die  Bildhauer Adolf Breymann entworfen und ebenfalls Howaldt gegossen hatte. Das Denkmal wurde im Zweiten Weltkrieg  jedoch schwer beschä­digt. Die Germania wurde einge­schmolzen, der Sockel abgetragen. Heute erinnert nichts mehr daran. Der „kleine“ Lessing­platz wird geprägt vom Gebäude der früheren Garni­sons­schule,  die Herzog Carl Wilhelm Ferdinand 1795 errichten ließ. Seit 2014 ist dort die Rechts­an­walts­kammer behei­matet. Die Immobilie, die der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz (SBK) gehört, ist von der Kammer in Erbpacht übernommen und in enger Abstim­mung mit dem Denkmal­schutz umgebaut und renoviert worden.

Heraus­ra­gende Villa Salve Hospes

Der „große“ Lessing­platz war Teil der Gesamt­kon­zep­tion von Peter Joseph Krahe für den Wallring Anfang des 19. Jahrhun­derts. Krahe war es auch, der in diesem Zuge die beein­dru­ckende, klassi­zis­ti­sche Villa Salve Hospes 1805 für den vermö­genden Kaufmann Dietrich Krause entwarf. Heute ist die Villa Heimat des Kunst­ver­eins Braun­schweig.

„Nachdem 1893 eine Pferdestra­ßenbahn einge­richtet worden war, verkehrte ab 1899 die Linie 5 der elektri­schen Bahn über den Platz. Die Gleise verliefen ursprüng­lich über die nördliche Straßen­trasse und wurden 1979 (als Linie 1) mitten über die Grünfläche auf dem Platz gelegt“, schließt Elmar Arnhold seinen Beitrag über den Lessing­platz mit einer durchaus kriti­schen und zugleich mahnenden Anmerkung zu einer Entschei­dung, die eigent­lich noch gar nicht so lange her ist.

Fakten:
Braun­schweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart
128 Seiten
Heraus­geber: Richard Borek Stiftung
Autor, Inhalt und Gestal­tung: Elmar Arnhold
Herstel­lung: Druckerei Häuser KG, Köln
ISBN 978–3‑9823115–0‑0
Preis: 12.90 Euro

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