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Scheinwerferlicht auf unsere Traditionsinseln

Hinter der Magnikirche. Foto: Der Löwe/Andreas Greiner-Napp
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Ausflug in die Stadtgeschichte lässt sich mit einem ausgedehnten Stadtspaziergang zu den herausragenden Orten des „alten“ Braunschweigs krönen.

Es wird in Braunschweig seit Jahrzehnten – oft kontrovers – debattiert über den Wert des gebauten Erbes einer im Zweiten Weltkrieg nahezu komplett zerstörten Stadt. Das alte Braunschweig ging vor allem in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 1944 zu 90 Prozent unter im Feuersturm, wurde zerbombt und später in großen Teilen, vielleicht zu großen Teilen abgerissen. Allein rund 2.000 Fachwerkhäuser brannten aus, mehr als in jeder anderen Stadt Deutschlands. Der Traum vieler Braunschweigerinnen und Braunschweiger von historischen Bauten blieb und wurde zum Beispiel in den Rekonstruktion der Alten Waage (1994) und des Residenzschlosses (2007) auch Realität.

Aktuell geht es darum, ob sich Braunschweig mit seinen Traditionsinseln beim Land um die Aufnahme in die niedersächsische Vorschlagsliste zum UNESCO-Welterbe bewerben sollte oder nicht. Macht das Sinn? Die Traditionsinseln werden dadurch aber immerhin so oder so mal wieder in das Scheinwerferlicht gerückt. Und das ist gut so. Es lohnt sich ein kleiner Ausflug in die Geschichte und in Zeiten der Corona-Pandemie vielleicht auch ein aufmerksamer, ausgedehnter Spaziergang zu den herausragenden Orten des „alten“ Braunschweigs.

Grundriss aus dem Mittelalter

Erhalten blieb nach dem Krieg lediglich der weitgehend auf dem Mittelalter basierende Grundriss der Stadt. Darauf aufbauend entwickelte der damalige Landeskonservator Kurt Seeleke das bundesweit einmalige Denkmalkonzept der Traditionsinseln. So ist Braunschweigs Rolle als Metropole des Mittelalters und der Frühen Neuzeit trotz der großen Zerstörung noch heute ablesbar. Jedes der fünf Weichbilder Altstadt, Altewiek, Hagen, Neustadt und Sack besaß einst eine Kirche, ein Rathaus und einen Markt.

Die Traditionsinseln wurden um die großen Stadtkirchen in jenen Quartieren gebildet, in den Substanz erhalten geblieben war. Dazu zählen der Dom mit dem Burgplatz, St. Magni mit dem Magniviertel, St. Michaelis mit dem Michaelisviertel, Martinikirche mit dem Altstadtmarkt und St. Aegidien mit dem Aegidienviertel. Hagenmarkt, Kohlmarkt, Rathaus und ehemalige Regierungsgebäuden am Bohlweg, Alter Bahnhof, Staatstheater oder Herzog Anton Ulrich-Museum sind natürlich ebenfalls bedeutend, aber ihnen fehlte die entsprechenden historische, bauliche Einbettung, um um sie herum ebenfalls eine Traditionsinsel zu gründen.

Baudenkmale umgesetzt

Nach Beseitigung von Schäden an den Kirchen wurden für die Bildung der fünf Traditionsinseln Baudenkmale repariert, wo nötig rekonstruiert, wertvolle Bausubstanz von anderer Stelle umgesetzt und die Neubauten gestalterisch mit ihnen abgestimmt. Das Konzept bedeutete, dass Erhaltenes konzentriert wurde und gleichzeitig Neues nach modernen Gesichtspunkten entstehen konnte.

Burgplatz mit Veltheimischen und Huneborstelschem Haus (links). Foto: Der Löwe/Andreas Greiner-Napp

Burgplatz mit Veltheimischen und Huneborstelschem Haus (links). Foto: Der Löwe/Andreas Greiner-Napp

Herausragend in seiner Bedeutung ist der Burgplatz mit dem Dom (erbaut 1173) und dem Burglöwen als älteste mittelalterliche Großplastik nördlich der Alpen. Im Zusammenhang mit den Traditionsinseln kommt dem Huneborstelschen Haus große Bedeutung zu. Seine Fachwerkfassade war auf Bestreben Seelekes 1944 abgenommen und gesichert worden. Erst 1955 kehrte sie aus der damaligen DDR zurück. Fehlende Balken wurden nach Fotografien rekonstruiert.

Rüninger Zollhaus angebaut

Am Gewandhaus auf dem Altstadtmarkt waren sämtliche Fachwerkanbauten zerstört worden. Als Erinnerung an die sogenannten Krambuden wurde 1949 das ehemalige Rüninger Zollhaus dort angebaut. Am Gewandhaus wurde auch das erhaltene Portal der ehemaligen Hagenmarkt-Apotheke (um 1600) eingebaut. Der Marienbrunnen (entstanden 1408) wurde wieder hergestellt. Das Stechinelli-Haus und das Haus „Zu den sieben Türmen“ wurden wieder aufgebaut.

Das weitgehend erhaltene Magniviertel bietet noch heute das stimmige Bild einer Handwerkersiedlung des 15. bis 17. Jahrhunderts. Bemerkenswert sind das Bürgermeisterhaus „Am Magnitor 1“ (1490) und die Fachwerkhäuser hinter der Magnikiche. Bestandteil von Haus Nummer 4 ist der versetzte Rest der Ulrici-Pfarre vom Kohlmarkt.

Unter gesetzlichem Schutz

Im Ägidienviertel wurde das Geburtshaus von Louis Spohr wieder hergerichtet. 1979 wurde noch das Haus Wallstraße 8, in dem Johann Anton Leisewitz 1806 gestorben ist, nach hier umgesetzt und dient seither als Gemeindezentrum von St. Nicolai.

Im Michaelisviertel hat das Studentenwerk Braunschweig 1984 aus zwei originalen und zehn nachempfundenen Fachwerkhäusern das Studentenwohnheim „Michaelishof“ geschaffen. Südlich der Kirche blieb das stattliche Renaissancegebäude „Haus zur Hanse“ aus der Zeit um 1560 erhalten, und in der Echternstraße 16 steht das restaurierte Stobwasserhaus der einstigen Lackwarenmanufaktur von 1771, in dem 1890 der spätere Reichspräsident Friedrich Ebert als junger Sattlergeselle wohnte. Auch Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung sind am Gieselerwall mit einem Stück Stadtmauer und an der Echternstraße ein Wachtturm mit einem gedeckten Wehrgang zum Neustadtmühlengraben. In der Alten Knochenhauerstraße sind bemerkenswerte Fachwerkhäuser wie der „Ritter St. Georg“ von 1470 bis 1489 vorhanden.

Durch Aufnahme in die Denkmalpflegesatzung der Stadt Braunschweig von 1963 wurden die Traditionsinseln unter gesetzlichen Schutz gestellt.

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