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Schließt endlich die teure Universität!

Die Technische Universität Carolo Wilhelmina wird im nächsten Jahr 275 Jahre alt. Foto: Markus Hörster/TU Braunschweig
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275 Jahre Technische Universität Carolo-Wilhelmina, Folge 1: Nach Protesten stellte sich die Landesregierung 1882 gegen die Mehrheit der Landtagsabgeordneten und rettete die Hochschule in ihrer Existenz.

Die Mehrheit der Landtagsabgeordneten beschließt, „die Landesregierung zu der Erwägung anzuhalten, ob nicht die Aufhebung der technischen Hochschule Carolo-Wilhelmina, in Anbetracht, dass der zu deren Erhaltung erforderliche Aufwand mit dem erwarteten Nutzen derselben nicht in richtigem Verhältnisse steht, anzubahnen sei.“

Die Vertreter der ländlichen Regionen, der Landstädte und der Landgemeinden sowie die Großgrundbesitzer begründeten diese Entscheidung damit, dass sie eine Einrichtung, die ihnen keinen wirtschaftlichen Nutzen bringt, für puren Luxus der Landeshauptstadt halten und sahen die Einsparung bei der Hochschule als wichtigstes Ziel, um den maroden Landeshaushalt zu sanieren.

Destinatär der SBK

Auch wenn uns eine aktuelle Diskussion in dieser Art nicht wundern würde, man muss keine Sorge haben: Bei dieser Nachricht geht es um eine Diskussion im Braunschweigischen Landtag im Jahr 1882. Die Episode ist der erste Beitrag in unserer achtteiligen und monatlich erscheinenden Serie an 275 Jahre Technische Universität Carolo-Wilhelmina. Das Jubiläum wird 2020 gefeiert. Die Universität geht zurück auf das 1745 von Herzog Carl I. gegründete Collegium Carolinum, das sich am Bohlweg befand. Die TU gehört zu den Destinatären aus dem Teilvermögen der Braunschweig-Stiftung in der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (SBK).

Der braunschweigische Landtag hatte im März 1882 also gegen die „technische Hochschule Carolo-Wilhelmina“ entschieden, wobei die Vertreter der ländlichen Wahlkreise eine stete Bevorzugung der Landeshauptstadt beenden wollten. Auslöser war die katastrophale Lage der öffentlichen Kassen. Es schienen radikale Kürzungen im Landeshaushalt unabdingbar und die notwendigen Einsparungen glaubte man ohne große Gegenwehr vor allem bei Wissenschaft und Kultur realisieren zu können.

Bürgerverein protestiert

Die Betroffenen selbst – Professoren und Studenten – hielten sich in der immer heftiger geführten Diskussion als treu untergebene Landesbeamte und Staatsbürger hörbar zurück. Auf „öffentlichen Kundgebungen“ in Clubs, Vereinen und auf den Plätzen der Stadt Braunschweig aber meldeten sich lautstark der Braunschweiger Bürgerverein, der Architekten- und Ingenieurverein des Herzogtums sowie der Stadtmagistrat, mit Oberbürgermeister Pockels an der Spitze, zu Wort.

Nicht nur die Wirtschaftskraft und der Technologietransfer der Hochschule für die einheimische Wirtschaft wurden zum positiv besetzten Diskussionsthema, auch sogenannte „höhere Werthe“ wurden angesprochen und als besonderes Interesse der Öffentlichkeit hervorgehoben. Ein Konflikt zwischen Geistes- und Naturwissenschaften wurde vermieden, war man sich doch der gleichwertigen Bedeutung dieser Fachbereiche bewusst. Der Bürgerverein erklärte es zur „Pflicht eines jeden Staates, […] die technischen Wissenschaften in jeder Beziehung zu fördern, da unser modernes Leben im engsten Zusammenhange mit der Technik steht und nur durch die eminenten Leistungen derselben die hohe Kulturstufe, auf der wir uns befinden … möglich geworden ist.“

„Förderung der Intelligenz und Cultur“

Gleichzeitig machte man den Bürgern und den Politikern klar, dass der Nutzen der Hochschule weniger in „Geldwerthen als in der Pflege der Wissenschaften, in der Förderung der Intelligenz und Cultur, in der Hebung von Kunst und Gewerbe“ liege. Ohne die Geisteswissenschaften sah man keine Chance für den Erhalt der Hochschule und unterstrich, welchen Wert diese Fächer gerade auch für das öffentliche und kulturelle Leben in der Stadt Braunschweig besitze. Und: „Die Politik hat dem Volk zu dienen, nicht das Volk der Politik“, so ein wesentliches Argument im Bürgerverein.

Die Landesregierung reagierte auf die Proteste 1882 umgehend, indem sie die Arbeitsfähigkeit der Hochschule zu einer Frage der Staatsräson machte. Das Staatsministerium erklärte, dass weder Einschränkung noch Schließung der Hochschule sinnvoll seien, „ohne auf der einen Seite die Selbständigkeit des Staates auf sehr wichtigen Gebieten schwer zu schädigen, und auf der anderen Seite dem Emporblühen von Kunst und Industrie im hiesigen Lande die nothwendige Grundlage und Stütze zu entziehen“. Der Initiative der Bürger der Landeshauptstadt Braunschweig beugte sich schließlich die konservative Mehrheit des Landtags. Man entschied sich für Konsolidierung und letztlich sogar für einen Ausbau der Hochschule im Interesse des ganzen Landes. Unsere Carolo-Wilhelmina wird 2020 ihr 275. Jubiläumsjahr begehen können und im Blick nach vorne lohnt sich die gelegentliche Erinnerung an das Auf und Ab in der Geschichte, um zu verstehen, warum man die „ungewöhnliche Zähigkeit einer Institution“ bewundern kann.

Prof. Dr. h. c. Gerd Biegel Gründungsdirektor des Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte und Geschichtsvermittlung, TU Braunschweig

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